- Tagebuch über den Ironman Florida 2003

Es war ein langer Weg in mehrerer Hinsicht. Zum einen ist es die geographische Entfernung zum anderen habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht und habe lange versucht in mich hinein zu horchen. Ist es das alles wert? Die vielen Entbehrungen, das zeitaufwendige Training und die doch nicht unerheblichen Kosten. Aber der Virus Hawaii bzw. die Reiz der sportlichen Leistung der Qualifikation hatten sich schon zu tief in mich hineingefressen, so dass ich Argumente die für den langen Weg sprachen für gewichtiger einschätzte. Dies ist zum einen, dass wir im April Eltern werden und ich diesen Trainingsaufwand in Zukunft nicht mehr betreiben möchte. Denn dann gibt es erst einmal wichtigere Dinge als Triathlon. Zum anderen war ich mir sicher, dass die Leistung beim Ironman Zürich im Sommer diesen Jahres nicht meinem tatsächlichen Fähigkeiten entsprach.

Des weiteren war es auch ein langer Weg auf dieses Niveau und ich wollte nicht so kurz vor dem mir suggerierten "Ziel" stolpern und liegen bleiben. Es war 1995, also vor über 8 Jahren als ich meine erste Mittelstrecke (Lübben) in 6:21 h finishte und damit Gesamtletzter wurde. Aber dessen nicht genug ich hatte 1995 ebenfalls Premiere beim Berlin-Marathon, den ich in 5h und 55sec finishte.

Die Woche vor der Abreise

Heute ist Dienstag der 28.10.2003 und ich bin schon ziemlich aufgeregt, habe gerade mal nach dem Wetterbericht im Netz geschaut. Es ist noch viel zu heiß Tageshöchsttemperatur bis 29°C, ich hoffe es kühlt sich noch etwas ab. Hitze ist nicht mein Ding, aber dieses mal gibt es keine Entschuldigung. Trotzdem wäre mir Regen lieber. Heute Abend werde ich mich noch für 2 h auf die Rolle setzen. Den letzten Feinschliff für die Form und den Kopf.

02.11.03

Jetzt sitze ich im Flieger und habe Zeit nachzudenken. Konnte nicht mehr richtig schlafen. Diana hat mich zum Flieger gebracht. Wir waren beide sehr traurig, es war damals so leicht zu sagen, dass Diana nicht mitkommen braucht. Nun in dieser für mich so wichtigen "Mission" hätte ich sie am liebsten ins Handgepäck versteckt und mitgenommen, ich sollte es noch mehrmals bereuen dies nicht getan zu haben. Viele Verwandte und Bekannte haben mir die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben, so dass ich hoch motiviert bin. Die Quali ist dabei vordringliches Ziel, aber erst einmal muss ich für mich so abschließen, dass ich mir nichts vorwerfen kann. Meine Tante sagte mir, wenn es weh tut soll ich immer an das Ziel denken und den Schmerz vergessen. Eben wie bei einer Geburt. Ich werde bei diesem Ironman unser Kind zur Welt bringen. Ich weiß es nicht, aber ich denke man kann diesen Schmerz nicht mit dem einer Geburt vergleichen, habe mir jedoch angemaßt im Rennen diesen Vergleich heran zu ziehen.

03.11.03

Nach nicht enden wollendem Flug bin ich wohlbehalten in Panama City Beach angekommen. Mein Rad war aber noch nicht dabei, dass sei aber normal. Was nicht normal ist, ist was mit dem Fahrrad einer deutschen Athletin passiert ist. Dieses war völlig kaputt, die Schaltung hing nur noch am Bowdenzug, die Sattelklemme war mit samt einem Stück Aluminium herausgebrochen, im Oberrohr war ein großer Knick, der Helm war in mehrere Teile zerbrochen und das Rad war nicht mehr in seinem Karton. Ach so, übrigens ist es jetzt 4:58 Uhr und ich kann nicht mehr schlafen da die innere Uhr auf Mittag steht und solange habe ich schon Jahre nicht mehr im Bett gelegen, also schreibe ich jetzt mein Tagebuch weiter. Gestern, am Sonntag gegen 21.00 Uhr war ich noch einkaufen, alles kein Problem in Amerika, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, allerdings standen in jeder Ecke Rentner, zumindest hätten sie es sich vom Alter her verdient und nervten einen ständig ob sie helfen könnten. Allerdings konnten sie mir auch nicht sagen wo die "Haferflocken" stehen, denn ich wusste nicht das sie auf englisch "Oats" heißen. Für Cornflakes gab es zwei Regale, je 30m lang. An der Kasse wurde man mit der Frage "how are you" empfangen und ich überlegte kurz ob ich ihr sagen sollte, dass ich nach 19 h Flug etwas tired bin, aber da kamen auch schon die nächsten Standardfragen, dessen Beantwortung aber nicht nötig war denn sie fragte nicht nach und sagte $ 7,69. Mit meinen Lebensmitteln bin ich dann an den Strand gegangen und habe dem Meeresrauschen lauschend etwas gegessen und getrunken.

Bin gerade vom Schwimmen zurückgekommen, war sehr angenehm, extrem ruhiges und klares Wasser. Hat wirklich großen Spaß gemacht und ging sehr gut. Leider ist mein Rad noch nicht, da so dass ich die Ausfahrt mit der Gruppe nicht mitmachen konnte. Um heute noch Rad fahren zu können leiht mir Hannes (der Veranstalter) nachher sein Rad. War heute auch wieder mal bei Wal Mat um mir einige Lebensmittel zu kaufen hierbei bin ich nicht an den Angeln vorbei gekommen und habe mir eine kleine Rute zum Strandangeln gekauft.

04.11.03

Heute morgen war das Schwimmen ziemlich swoppy (wellig), anfangs habe ich ein bisschen kämpfen müssen, aber nachdem ich mich dem Rhythmus der Welle angepasst hatte ging es ganz gut. Am Nachmittag war ich mit geborgten, etwas zu großen Schuhen, laufen. Hoffentlich wird es noch etwas kühler, das Thermometer auf meiner Uhr signalisierte mir 35 °C. Der Wetterbericht (es gibt übrigens einen TV Sender der sich den ganzen Tag nur mit dem Wetter beschäftigt) sagt für Samstag 76 °F bzw. 23 °C an. Ich kann nur hoffen, dass dies so eintrifft und der "Wetterchannel" somit seine Berechtigung erhält.

05.11.03

Das Fahrrad mit den Schuhen und dem Neoprenanzug ist immer noch nicht da. Ich bin jetzt schon ziemlich nervös, was natürlich Stress bedeutet, den ich nicht gebrauchen kann. Habe heute noch einmal das Fahrrad vom Veranstalter bekommen um eine lockere Runde zu drehen. Er hat mir auch sein Rad für den Wettkampf angeboten, wenn dies so kommt, kann ich nur froh sein, dass mir heute die Kette gerissen ist und nicht im Wettkampf. Schwimmen war heute nicht möglich, es war die rote Flagge oben, was bedeutet, dass Baden verboten ist. Hannes hat heute eine kostenlose Bootstour zu einer Insel (Shell Island) angeboten. Es sollte eine Insel mit einem tollen Sandstrand sein und auf dem Weg dorthin sollten Delphine zu sehen sein. Das mit den Delphinen war richtig, die einsame Insel war jedoch nicht viel einsamer als unser Strand.

06.11.03

Heute ist Donnerstag und ich bin gerade aufgewacht, es ist nicht mehr so windig und etwas neblig. Der obligatorische blick in den Wetterkanal verrät allerdings keine guten News, das Wetter wird nicht kühler sondern bleibt doch so, also muss ich mich damit abfinden und gut. Ich werde heute mit Hannes sprechen und am Nachmittag ein Racebike zusammenstellen lassen, einen Neoprenanzug probieren und ein paar Laufschuhe besorgen.

09.11.03

Heute ist "the day after". Die letzten beiden Tage vor dem Rennen waren so stressig das ich es nicht mehr geschafft habe irgend etwas ins Tagebuch einzutragen. Am Donnerstag Nachmittag war mein Fahrradkoffer immer noch nicht da, so dass ich nun gezwungen war mich auf die Suche nach Ersatz zu begeben. Hierbei hat mir Hannes sehr geholfen. Als erstes war das Rad wichtig. Es sollte natürlich auch nicht irgendein Rad sein, es sollte von den Maßen optimal sein. Hannes hatte die Idee Thomas Braun zu fragen, er war von Hawaii direkt hier angereist um Hannes hier bei der Organisation zu helfen. Er ist mit seinem Rad hier im letzten Jahr den besten Split gefahren (4:39h) und ist genauso groß wie ich und hat die gleichen Proportionen. Eine Probefahrt hat mich voll überzeugt. Der Neo wurde auf der Triathlonmesse, dank Hannes seiner Verbindungen geborgt. Nun blieben nur noch die Laufschuhe. Diese stellten nach dem passenden Rad das größte Problem dar. Letztendlich wurden auch diese gefunden, so dass ich die wesentlichsten Sachen zusammen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es 18.00 Uhr vor dem Racetag. Nun blieb noch etwas Zeit, um auszuspannen.

Raceday

Morgens 4:45 aufstehen, etwas essen und in die Wechselzone. Vor lauter Aufregung hatte ich keine Zeit mehr die Wettervorhersagen zu verfolgen. Ich merkte nur das es etwas kühler war. Aber eigentlich habe ich diesen Punkt aus meinem Kopf gestrichen und konzentrierte mich nur noch auf mein Rennen. Es sollte das Rennen meines Lebens werden.

Der Schwimmstart

Die Organisatoren freuten sich verkünden zu dürfen, dass es der größte je erfolgte Massenstart in der Triathlongeschichte mit 2300 Startern sei. Das dies allen Aktiven eher Angst macht, war nebensächlich. Jedenfalls ging es bei wunderschönem Wetter und ruhiger See bald richtig zur Sache. Tritte, Schläge und Atemnot waren auf den ersten 1000m leider nicht umgänglich. Erst nach der ersten Runde hatte sich das Feld entzerrt und ich hatte endlich meinen Schwimmstil und das Tempogefühl gefunden. Leider kamen dann Wellen auf und es war wieder schwer seinen Stil zu finden. Aber egal das Schwimmen war ja bald geschafft und die in das Schwimmtraining investierte Zeit hielt sich auch in der Vorbereitung in Grenzen. Die Endzeit lag dann bei akzeptablen 59 min.

Rad

Das geborgte Rad fuhr sich im einstündigen Test so gut, dass ich wirklich Angst hatte zu überzocken. Aber ich bin streng nach Puls gefahren und habe dabei eigentlich ständig überholt. Als ich Nicole Leder und Katja Schuhmacher überholt habe, wusste ich das die Schwimmzeit in der Relation gar nicht so schlecht war und das ich sehr gut unterwegs war. Die beiden blieben auch nicht lange in meiner Nähe und ich fühlte mich sehr stark, zumal ich wusste das der Puls o.k. war. Nach ca. 120km war Ute Mückel in Sicht und ich habe sie kurz angefeuert. Nachdem ich mich somit als Deutscher geoutet hatte, wollte sie die Abstände zu Nicole und Katja wissen. Da ich jedoch nicht genau wusste wie viel ich herausgefahren hatte, sie aber trotzdem motivieren wollte, sagte ich ihr das sie reichlich Vorsprung hat. Es war ein tolles Gefühl so stark zu sein. Kurz vor dem Wechsel konnte ich noch die führende Frau (Wendy Ingraham) überholen und stellte dabei fest, dass auch immer mehr gelbe Nummern für die Profis zu erkennen waren. Was für ein Tag, denn ich fühlte mich noch immer frisch. Meine Befürchtungen hinsichtlich des Windschattenfahrens waren größtenteils unbegründet. Dank des immensen Aufgebotes an Motorräder wurde trotz der flachen Strecke äußerst fair gefahren. Ich selbst war Zeuge von der Vergabe mehrerer Penaltys. Ich meine, dass dieses harte Durchgreifen eine enorme Erziehungsfunktion hat, welche mir später beim Laufen auch noch zu teil wurde.

Lauf

Um ehrlich zu sein kann ich mich nicht mehr in allen Einzelheiten an den Lauf erinnern. Die erste von zwei Runden lief sehr gut, ich denke dass dies meinem konsequenten Wechseltraining und der flachen Radstrecke (diese war übrigens 184 km lang) zu verdanken war. Obwohl es relativ heiß war konnte ich dies verdrängen und mich eben nur auf das Laufen konzentrieren. Immer langen Schritt und das Tempo nicht vermindern. In der zweiten Runde hatte ich mir den mit meinen Lieblingstiteln versehenen mp3-player geben lassen. Dieser hat mich dann über die zweite Runde getragen. Irgendwann wurde ich von späteren ersten Frau überholt und konnte eine Weile den Sichtkontakt zu der späteren zweiten Frau Nicole Leder halten. Ich achtete nur noch auf die Waden wo das Alter der Athleten vermerkt war. Hierbei wurde ich anfangs der zweiten Runde von einer "33-iger" Wade überholt. Ich heftete mich an dessen Fersen und ließ sie die gesamte Zeit nicht aus den Augen. Als wir Richtung Ziel kamen setzte ich zum finalen Endspurt an und verspürte keinen Widerstand von der "33-iger" Wade, als ich mich umdrehte konnte ich erkennen, dass er auf seine letzte Runde abbog. Im ziel angekommen bin ich wohl etwas schief gelaufen, so dass mich die Helfer nicht mehr loslassen wollten und mich an den Tropf legten. Auf die vielen Fragen die ich nur halb verstand habe ich immer nur geantwortet, dass ich happy bin. Nachdem ich aus dem medical tent entlassen wurde, machte ich mich gleich auf den Weg um meine Platzierung in Erfahrung zu bringen. Ich hatte es geschafft. 11. Platz in der Altersklasse 9h33min. Ich setzte mich auf die Strasse und es kamen wohl ein paar Tränen. Danach ging es ziemlich chaotisch von Seiten der Organisatoren zu, man bekam seine trockenen Sachen erst um 18.00 Uhr, dass bedeutete für mich noch eine geschlagene Stunde warten und dass in den nassen Sachen. Duschen waren auch nicht vorgesehen, dazu sollte man in sein Hotel gehen. Als ich dann endlich meine trocknen Sachen hatte wollte ich erst einmal "schnell" ins Hotel humpeln, leider gab es wohl Anweisung von den Offiziellen, die Athleten nur mit den anderen 3 Beuteln und dem Fahrrad aus dem Wechselbereich zu lassen. Das bedeutete eine elende Schlepperei, aber mit der Quali in der Tasche ging auch das noch mit einem Lächeln.

Schwimmen 59min Rad 5h 01min Lauf 3h 27min Endzeit 9h 33min (zzgl. eines Penaltys von 4min 9h 37min)

Ergebnisse

The day after

Um 10 Uhr sollte die Vergabe der Qualiplätze für Hawaii sein. Ein Blick in die Ergebnisliste jagte mir dann einen gewaltigen Schrecken ein. Ich hatte beim Laufen einen Penalty von 4 min bekommen. Auf Nachfrage bei einem Racemarshall offenbarte mir dieser, dass ich verbotener Weise einen Kopfhörer auf hatte. Dies würde wohl in den Rules stehen und jeder hätte diese lesen müssen. Ich hätte wohl länger mit ihm diskutiert wenn ich meine Sprache hätte nutzen können bzw. dadurch meinen Qualiplatz verloren hätte. Ich bin somit auf den 13. Platz gerutscht und habe den letzten offiziellen Qualiplatz bekommen.

Es war das Rennen meines Lebens, jetzt freue ich mich auf meine Frau und unseren bald das Licht dieser Welt erblickenden Nachwuchs. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken die mich unterstützt und an mich geglaubt haben.

Aloa am 16.10.2004 in Kona auf Hawaii

Steffen

 

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