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Tapering
bedeutet "Zuspitzung". Durch gezielte Reize und viel Erholung
soll man dadurch auf den Punkt genau in Höchstform kommen. Klingt
erstmal einfach. In der Praxis gibt es allerdings viel zu beachten
und auszuprobieren. Erholter als Ralf Ruhaus kann man vor einem Ironman kaum sein: Nach Monaten harten Trainings mit großen Umfängen hatte sich der halbtags berufstätige Familienvater die letzten drei Wochen vor dem Rennen komplett erholt. Sehr wenig und nur lockeres Training, viel Schlaf, Massagen und zweimal pro Woche in die Sauna. Und in der letzten Woche hatte der 33-Jährige frei und nur noch die Füße hochgelegt. Am Renntag ging dann gar nichts. Müde fühlte er sich schon beim Schwimmen. Auf dem Rad bekam er mit müden Beinen keine Kraft auf die Pedale und den eigentlich angepeilten Durchschnittspuls erreichte Ruhaus erst beim Zielsprint gegen seinen 17 Jahre älteren Vereinskollegen. Die Taperingphase stellt das Feintuning des Körpers dar und nur mit der richtigen Mischung aus Erholung und gezielt gesetzten Reizen bereitet man sich in dieser Zeit, die auch unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) genannt wird, auf einen wichtigen Wettkampf vor. Dabei die richtige Dosierung zu finden kann allerdings fast so schwer sein, wie im Lotto zu gewinnen. Bei Ruhaus war es wohl zu viel Erholung. Zwar kann man seine Höchstleistung nur mit einer Ruhephase vor dem Rennen erreichen. Wenn man es aber mit der Ruhe übertreibt, schaltet der Körper in einen Ruhemodus, aus dem viele Athleten so schnell nicht mehr heraus kommen. Die Erholung ist zwar das oberste Ziel des Taperns der Schlüssel zur Bestleistung sind aber nicht die reduzierten Trainingsumfänge allein, sondern die Kombination mit kurzen Einheiten im Wettkampftempo. Das belegen diverse Studien amerikanischer Forscher aus den 90er-Jahren. Um dem Körper die notwendige Erholung zu gönnen, sollte man seinen in der letzten Trainingsphase realisierten Trainingsumfang in der ersten Zeit des Taperings um etwa die Hälfte reduzieren, im zweiten Drittel um 70 Prozent und im letzten Drittel vor dem Rennen um 80 Prozent. Gleichzeitig streut man in die Trainingseinheiten immer wieder kurze Intervalle im Wettkampftempo ein. Gestalte diese Intervalle kurz es genügen meist wenige Minuten bei geringer Wiederholungszahl. Denke daran, dass es sich dabei nicht um einen neuen Trainingsreiz handelt. Diese Einheiten sollen vielmehr die (Muskel-)Spannung erhalten und den Körper leistungsbereit halten. Kein Königsweg In der Sportwissenschaft und aus der Trainingspraxis gibt es unzählige Theorien darüber, wie lange eine Taperingphase andauern sollte. Die optimale Taperingphase ist etwas sehr Individuelles während der eine Sportler kurze Vorbelastungen weniger gut verträgt und viel Ruhe braucht, um auf Bestleistungsniveau zu kommen, benötigt ein anderer viel intensivere Reize oder höhere Umfänge. Manchen Athleten bekommt ein Ruhetag direkt vor dem Renneinsatz, andere sollten diesen lieber zwei Tage vor den Tag X legen und am Vortag noch einmal kurz trainieren. Bei der Planung der Taperingphase sollte man sich danach richten, welche Wettkampfdistanz bevorsteht und wie umfangreich und hart man im Vorfeld trainiert hat. Je länger die angestrebte Renndistanz, desto ausgiebiger sollte man diese Periode gestalten. Während bei Sprint- und Kurzdistanzen oft wenige Tage ausreichen, um eine gute Leistung erbringen zu können, sollte man sich für einen Ironman oder einen Marathonlauf mehr Zeit lassen. Eine bis drei Wochen gezielte Vorbereitung sind je nach Athlet ratsam, der sechsfache Hawaii-Sieger Mark Allen empfiehlt gar eine Phase von vier bis sechs Wochen Dauer. Welche Form des Taperings am besten bekommt, kann man nur durch Ausprobieren herausbekommen. Suche dir dafür Vorbereitungswettkämpfe aus, bei denen das Ergebnis nicht so wichtig ist, und teste zunächst bewusst verschiedene Extreme. Vergleiche beispielsweise eine Phase mit viel Ruhe mit einer Vorbereitung mit intensiven Vorbelastungen. Achte darauf, bei welcher Variante du dich besser fühlst und wann du im Rennen das bessere Ergebnis erzielst. Rücke dann von dem getesteten Extrem etwas ab und probiere unterschiedliche Varianten mit mehr oder weniger Intervalltraining aus. Halte dich dabei genau an die Vorgaben und notiere während dieser Zeit penibel, was du wann trainiert hast, was gegessen wurde und wie du dich dabei fühltest. Solche Aufzeichnungen helfen, die individuell optimale Form herauszufinden. Carboloading Das Ziel des Taperns ist nicht nur das Auskurieren möglicher Mikroverletzungen in der Muskulatur und der Stressabbau. Auch das Auffüllen der Kohlenhydratspeicher in Muskulatur und Leber gehört in die unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Denn nur mit gefüllten Speichern kann man volle Leistungsfähigkeit abrufen. Um diese Speicher zu füllen, gibt es verschiedene Methoden. Bei allen steht ein hoher Kohlenhydratanteil der Nahrung (60 bis 75 Prozent der Gesamtenergie) im Mittelpunkt. Bei der einfachsten Variante achte in den letzten drei Tagen vor dem Rennen auf eine entsprechende Nährstoffzusammensetzung. Um die Füllung der Glykogendepots noch zu verstärken, kann man diese nach dem Prinzip der Superkompensation zunächst möglichst komplett entleeren, um sie danach durch einen hohen Kohlenhydratanteil wieder zu füllen im Idealfall über das Ausgangsniveau hinaus. Dabei leere die Speicher durch einen letzten intensiven Trainingsreiz ohne Energiezufuhr vier Tage vor dem Rennen. Um den Effekt zu verstärken, kann man den Anteil an Kohlenhydraten in den beiden Tagen vor dem Trainingsreiz zusätzlich verringern. Extremform Saltin-Diät Eine extreme
Form der Kohlenhydratmast ist die Saltin-Diät. Dabei werden zunächst
bis eine Woche vor dem Renneinsatz die Speicher durch Training bei gleichzeitiger
möglichst geringer Kohlenhydratzufuhr geleert. Auch während
der folgenden Tage mit reduziertem Training verzichtet man zugunsten von
Fetten und Eiweiß bewusst auf Kohlenhydrate. Erst in den letzten
zwei bis drei Tagen wird der Kohlenhydratanteil drastisch erhöht,
um die Depots zu füllen. Die Saltin-Diät ist mittlerweile umstritten,
weil sie zu einer starken Schwächung des Körpers und des Immunsystem
führen kann. Das Risiko von Infektionen kann sich dadurch überdurchschnittlich
erhöhen. Auch psychisch kann die Schwächung, verbunden mit einem
teilweise auftretenden Unwohlsein und geringer Leistungsbereitschaft die
Einstimmung auf den Wettkampf beeinträchtigen. |