IRONMAN Hawaii 2005 – Erlebnisbericht von Jörg

Das erste Mal

Alles hatte damit angefangen, dass ich letztes Jahr nur aus Spaß mal einen Ironman in Frankfurt testen wollte, und dabei versehentlich knapp die Hawaii - Quali verpasst hatte. Dieses Jahr wusste ich auch noch nicht so richtig, was ich wollte, irgendwie bin ich jedenfalls zusammen mit Susi und Anni in einen Flieger geraten, der uns über San Fransisco nach Kona befördert hat. Und als wir erst mal da waren, fühlten wir uns auch gleich wie zu Hause, wir wären gern länger geblieben, das könnt ihr glauben.

Kona ist in den Tagen vor dem 1. Vollmondwochenende im Oktober im Triathlonfieber.
An Armen und Beinen rasierte Verrückte joggen bei tropischer Hitze den ganzen Tag über den Alii-Drive, fahren auf dem Highway Rad und schwimmen aus dem Hafen von Kaliua aufs Meer hinaus .
Sie beginnen mit ihren körperlichen Übungen früh um 5:00 und sie laufen in abendlicher Dunkelheit immer noch den Alii hoch und runter.
Manche von ihnen haben rote Bändchen am Arm, solche wie man sie bei diesen "all inclusiv " Pauschalreisen bekommt. Das sind jene, denen am Sonnabend "all inclusive" der Alii und der Highway gehören werden, die ihren Schweiß und ihren Mageninhalt dort ausgießen dürfen.
Alle denken an unmenschliche Quälerei bei tropischer Hitze. Uns Rotbändlern fehlt inzwischen schon die Fähigkeit, klar zu denken. Wir fahren noch mal in der Spätvormittagshitze zum Energielab, um dort die 6 km lange Marathonwende zu testen, und haben dann ganz großen Durst und stellen fest, das in einer Stunde mit 30 km/h in der Mittagshitze mit dem Rad auf dem Highway einem ganz schnell alles Wasser aus dem Körper verlustig geht, wir schwimmen jeden morgen mit langen Armzügen die halbe Schwimmstrecke ab, auf dieser schönsten Trainingsstrecke der Welt, die Anni, als ich sie einmal mit Schnorchel und Schwimmbrille ein Stück mitnehme, als Riesenaquarium bezeichnet.

Nach dem Wettkampf fragte sie mich doch glatt, ob ich Fische gesehen hätte, was ich klar verneinen konnte.

Wir haben ein Zimmer im Royal Kona Resort. Hier wohnen auch Lothar und Nicole , Ralf und Nina Eggert und natürlich Norman. Auch Jürgen Zäck habe ich hier gesehen. Wir sind mit Hawaii Holiday Service hier, was Hannes nicht toll findet, er nennt uns "die Müllmänner", aber wir werden super betreut, haben Frühstücksbüfett direkt am Meer und eine hoteleigene Lagune für meine beiden Schnorchler und natürlich auch einen Pool. Unser Beachhaus hat einen offenen Innenhof, aus dem riesiege Palmen in den Himmel wachsen. Die Idylle wird durch einen Getränkeautomaten ergänzt, der Tag und Nacht Lärm macht wie eine Schlagbohrmaschine.
Um 6:00 jogge ich morgens zum Schwimmstart und schwimme 1000m vom Kaliua-Pier ins Meer. Wenn ich weit draußen bin, geht hinter dem Vulkan die Sonne auf. Ich schaffe die halbe Wettkampfstrecke nie unter 40 min und schaue mich nach "eldarly people" um, die eventuell noch langsamer schwimmen könnten. Auf dem Rückweg muss man aufpassen, dass es keine Zusammenstöße gibt. Wenn ich zurückkomme, sind immer Kameras und Fotografen da, selten wegen mir, eher wegen Nicole, die am 1. Morgen vor mir aus dem Wasser steigt. Gatorade hat seinen Stand aufgebaut. In der einen Woche trinke ich eine Jahresdosis. Am Wettkampftag werde ich die Finger davon lassen. Norman meint ein paar Tage vor dem WK, er hätte nie einen Platten , worüber er besser nicht hätte reden sollen, und als ich ihn am frühen Wettkampfmorgen auch noch mit dem süßen hellgrünen Zeug sehe , bin ich froh, ich nicht auf ich ihn gewettet habe. Bei unserer Pastaparty gibt er uns dann auch noch kluge Ratschläge für Neulinge, z.B. den, das Ganze voll anzugehen nach dem Motto, "langsamer wirst du von allein" .
Nina redet davon, dieses Jahr ihren Titel "Miss Dixi" an jemand anderen abgeben zu wollen, jedenfalls nicht an mich, denn ich habe geheime Zaubertränke in meinen Trinkflaschen und vorn ein ganz besonderes Teil mit 4 Tüten Elektrolytpulver aus der Apotheke in Wasserlösung . Das wird mir helfen, zu überleben. Ich habe mit Startbandgummi eine Gatoradeflasche in Ermangelung einer echten Profil Design Trinkflasche am Syntace befestigt. Mit einem weiteren Gummi habe ich kunstvoll meine diagonal geklemmte Rahmenluftpumpe gesichert. Diese Ausstattung erzielt ein wenig Aufmerksamkeit.

Wir kommen selten aus Kaliua raus. Unser Versuch, am Mittwoch den 90 Meilen entfernten Vulkan zu erreichen, scheitert kläglich an der Geschwindigkeitsbegrenzung (oft nur 25 ... 35 Meilen/h) und an den jeweils hinten sitzenden Beifahrern, denen abwechselnd richtig schlecht wird, trotz voll aufgedrehter Klimaanlage.
Nachmittags um 2:00 sind wir wieder an unserer Lagune. Hawaii Holiday Service fährt uns fast täglich zum Turtle Beach zum Schnorcheln. Was wollen wir mehr. Meine beiden Frauen haben die meiste Zeit des Tages Taucherbrillen auf.

Auf der Ironmanexpo nehme ich an einem Fordpreisausschreiben teil. Kurz darauf erfolgt eine Ziehung und ein gewisser George Hearing wird aufgerufen. Er hat ein neues Timex-Modell und eine kleine Aufmerksamkeit von American Express gewonnen. Vor lauter Übermut klettert jener gleich darauf in ein Schwimmbecken mit Gegenstromanlage und ersäuft beinahe. Aber er darf sich ein Videoband als Erinnerung mitnehmen und viel Lob von der betreuenden Trainerin für seinen Schwimmstil. Irgend etwas stimmt hier nicht. Am Sonnabend früh wird es ähnlich wie in diesem Becken sein. Obwohl ich mich weit hinten einreihe, finden mich jene unfreundlichen Leute, die mich nicht leiden können und versuchen mich zu ersäufen, von hinten und von den Seiten. Die Flucht nach vorn gelingt mir erst nach 1000m. Vor lauter Panik schwimme ich 1:12 was mich dann wieder in Euphorie versetzt. Fürs Erste habe ich Salzmangelerscheinungen reichlich vorgebeugt.
Vor dem Schwimmen hatte ich Licht angemacht in Form von 2 Powerbar-Gels. Ich bin Anschlag geschwommen, als ich aber aus dem Wasser steige, überwältig mich die Atmosphäre. Alle Anstrengung fällt wieder ab. Hier bin ich erst mal heil durch. Beim Umziehen finde ich noch alles lustig. Hinter dem Umkleidezelt wartet die Helferin mit der Sonnencreme, die mich vor schlimmeren Verbrennungen retten will.
Vielleicht hier noch ein Wort zum Frühstück. In unserem Hotel gab es Spezial Ironman-Frühstück mit Toast, und Rührei und Müsli und Kaffee. Wozu brauche ich das? Bei mir gab es 2 Powerbarriegel (igitt) mit Schwarztee. Hier fing die Quälerei eigentlich an.

In engem Gedränge fahren wir die Palani Road hoch. Die 1. Schleife geht Richtung Süden bergauf. Vor mir fährt einer beinahe über einen Absperrkegel, das hätte uns beide in DNF´s verwandeln können. Zurück bergab Richtung Highway verlasse ich mit über 60 die Meute. Ab jetzt ist ausreichend Platz. Es ist noch nicht unerträglich heiß, aber ich erinnere mich an Steffens Rat, und schütte mir an der 1. Verpflegungsstelle die 1. Flasche Wasser über den Kopf. Die Hitze lässt auch nicht lange auf sich warten. Ich nehme jetzt alle 10 Meilen 3 Flaschen Wasser auf, die Hälfte zum Duschen und ich überhole fast alle, die da in Sichtweite vor mir herfahren. Eine halbe Stunde vor der Wende kommt mir Faris entgegen. Wenige Meilen bergauf steht der Norminator fluchend am Straßenrand und fummelt mit einem Stöckchen an seinem Vorderrad rum. Richtung Hawi gibt es starken Wind von rechts vorn, der Tacho zeigt die ganze Zeit 22 km/h. Kurz nach 11:00 Uhr bin ich an der Wende. Der Wind bleibt erst mal stabil und mit 55 kmh geht's bergab. Nach 20 km kommt der Wind auf einmal doch von vorn. Irgendwo hier wird mir zum 1. Mal schlecht. Aber ein ordentlicher Schluck aus meiner Salzflasche bringt meinen Magen schnell wieder in Ordnung. Dieser Vorgang wird sich ab jetzt regelmäßig wiederholen. Die Hitze kann ich nicht mehr einordnen. Aber den Beinen geht es gut, nur der rechte Fuß vermittelt das Gefühl, das eine Schraube im Schuh zu weit durchreicht, was aber völlig unlogisch ist. Das viele Wasser reizt immer wieder den Magen.
Powerbar kann ich inzwischen nicht mehr sehen, ich versuchs mal mit einer Banane. Es kommt etwas Apathie auf. Beim nächsten Überholvorgang muss ich abbrechen, weil vorn einer anderer Überholer nicht wegfährt und links bleibt, obwohl auf 100 m nichts mehr ist. Ich überschreite diese 20 sek Überholzeit, was ich eh nicht mehr gemerkt hätte, dafür der Motorradfahrer hinter mir, der quasi schon in meinem Windschatten fuhr. Ich durfte rechts ran, und bekam rote Striche auf alle meine Startnummern. Dann durfte ich weiter fahren. Irgendwie hat mich das aufgeweckt. Nach 5 ... 6 Minuten habe die beiden Hindernisse erneut überholt, und war diesmal in 5 sec vorbei. Gleich darauf überhole ich einen Afrikaner , der auch rote Striche auf der Startnummer hat, und wir verabreden und auf ein Treffen in der Penaltibox. Da ich 4 min ausruhen darf, gebe ich die letzten 25 km richtig Gas. Es macht auf einmal Spaß. Es war ca 13:00 Uhr ++ , und muß irre heiß gewesen sein, ich kann mich daran nicht mehr erinnern.
In der Penaltibox gibt es 2 Behälter mit Eiswasser. Dort dusche ich 4 min lang . Dann wartet auch schon wieder die Helferin mit der Sonnencreme .
Ich bin übermütig, als ich auf die Laufstrecke gehe, die Sonne holt mich aber schnell in die Wirklichkeit zurück. Man ist das heiß. Nach 200 m ärgere ich mich schon, dass ich am Ausgang der Wechselzone nichts mehr getrunken hab.
Wir laufen zuerst den Alii-Drive Richtung Turtel-Beach. An den Verpflegungsstellen brauche ich viele Schwämme. Ein Becher Eis kommt unter meine Mütze und wird immer wieder nachgefüllt. Nach 5 Meilen nehme ich eine erste Eiswasserdusche. Dazu muss man allerdings stehenbleiben. Ich vertrödle ab jetzt mindestens eine halbe Minute an den Verpflegungsstellen. Dafür kann ich dazwischen einigermaßen schnell laufen. An dieser Taktik geht sicher noch einiges zu verbessern, aber heute habe ich keinen anderen Plan mehr. Ich versuche, 5 min Tempo zu halten.
Dann müssen wir wieder die Palani hoch, 400 m mit 8% Gefälle. Viele gehen hier. Ich schaffe es bis oben ohne Gehversuch, bin aber oben fast im Delirium. So etwa könnte es einem Hähnchen am Grill gehen. Ich bin jetzt gut durch. In meiner Rückentasche habe ich 4 Tüten Elektrolyt. Das brauche ich jetzt regelmäßig. Am Straßenrand stehen immer mehr Läufer, die sich übergeben und dann weiterlaufen. Die geben hier alles. Auf dem Highway denke ich nur von Eiswassertonne zu Eiswassertonne und zähle dabei die Meilen. Ich muss jetzt manchmal weggeworfene Becher zum Duschen suchen, und ab und zu auch mal 20 m Umweg machen, weil an den Wassertonnen nichts mehr ist. Das kostet Zeit. Ich überhole immer die gleichen, immer und immer wieder. Es ist wie ein Film, den man zurückspult und erneut laufen lässt. Die anderen geben sich mit Schwamm und einem Becher Wasser zufrieden und laufen durch.
Ich ernähre mich von Cola, diese hier kann man kaum trinken. Ich sehne mich nach Coke oder Vita.
Aus dem Energielab raus ist es noch heißer. Es sind jetzt noch 6 Meilen. Steffen hat gesagt, ab hier geht´s leichter. Vielleicht, wenn´s dunkel wird. Um 17:00 knallt hier die Sonne. Es ist nicht mal Wind da. Langsam reicht es.
Ein Japaner meiner AK kriegt mit, dass ich an den Verpflegungspunkten Zeit verliere, und versucht, mein Tempo aufzunehmen. Ich bilde mir ein, dass es irgendwie von Bedeutung sein könnte, vor ihm im Ziel zu sein. Jedenfalls liefern wir uns ab jetzt einen Zweikampf. Nach meiner Dusche ist er immer 50 m weg und ich brauche fast eine Meile, um ihn einzuholen, dann brauche ich meine Abkühlung und er ist wieder weg. Oben an der Palani lasse ich allen Luxus weg, und gehe vollen Anschlag die 8% runter. Unten platzen mir fast die Oberschenkel. Dann kommt aber noch eine lange Gerade in Richtung vom Ziel weg, was mir gar nicht gefällt, und das zieht sich hin. Endlich
unten auf dem Alii sind es nur noch 400 m. Dort wartet Anni auf mich, und rast neben mir los, das ich kaum hinterher komme. Jedenfalls bin ich im Ziel mal wieder völlig platt von der schnellen letzten Meile, und würde mich am liebsten erst mal wie in Frankfurt 2 min hinlegen. Da wirst du aber hier gleich wegtragen, und das will ich auch nicht. Links neben mir, wo eben noch Anni war, ist auf einmal eine Helferin, die mich zusammen mit jener auf der anderen Seite durch eine endlose Gasse schleift. Anni habe ich hinter dem Ziel verloren, die 50 m zurück schaffe ich nicht mehr. Ich will mich endlich hinsetzen.
Susi und Anni finden mich 30 min später im Massagebereich wieder. Susi fragt mich, ob ich eine Infusion bekommen hätte, und meint, daß ich öfter so was hier machen müßte, weil ich danach immer irgendwie jünger aussehen würde.
Wir haben dann noch versucht, eine Pizza zu essen, aber bei mir geht das nicht, es ist kein Speichel mehr da .
Jetzt kann ich wieder Gatorade trinken, bekommt mir aber auch nicht gut.
Das Krankenzelt ist voll belegt. Ab und zu werden neue Gäste auf Bahren hineingetragen.
Wir holen erst mal mein Rad und meine Sachen und gehen in unser Hotel. Später gehe ich allein zurück, um noch etwas von der Stimmung mitzunehmen. Später werden die Finisher immer lautstarker gefeiert, die jetzt nur noch in Minutenabständen eintreffen.
Ich suche erst mal ein Internetterminal, weil ich gar nicht weiß, wann ich angekommen war. Ohne den Japaner wäre ich bestimmt nicht unter 10:30 angekommen, obwohl das eigentlich auch egal wäre, denn irgendwie ist die Zeit beim 1. Mal Hawaii nicht wirklich wichtig.
Am nächsten Morgen gibt es im Hotel ein kleines Champagner-Frühstück. Einige bewegen sich rückwärts über die Treppen. Lothar weiß noch nicht, woran es gelegen hatte. Es wäre aber wichtig für ihn, "wenigstens gefinisht " zu haben, weil er sonst immer "schlechte Laune" hätte. Norman kann dazu nur nicken. Nicole ist schneller gelaufen als Lothar. Nina meint, dass sie den Titel " Miss Dixi" wohl behalten hätte. Sie hat aber gefinisht. Ich schenke ihr eine Tüte von meinen Elektrolytpulver. Lothar und Nicole nehmen Anni in die Mitte und lassen sich fotografieren.

Am letztem Montag bin ich zum Sonnenaufgang wieder auf die Schwimmstrecke raus. Hier habe ich Abschied von Hawaii genommen. Es waren außer mir noch viele hier draußen.
Später waren wir noch mit einem Schlauchboot in der Captain Cook Bucht zum Schnorcheln. Wir mussten mit einem anderem als dem gebuchten Boot raus, das ganze wurde eine Rafting-Veranstaltung. Anni hat das keinen Spaß gemacht.
Am Flughafen hat uns Ralf gefragt, ob wir unsere Blumenkränze zur Abreise ins Meer geworfen hätten, - leider nein, wir kannten diesen Brauch nicht, unsere sind im Mülleimer gelandet.
Wir werden wieder hin müssen, und das nachholen.
Die letzte Flasche Gatorade reicht bis Fredersdorf.

Jörg

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