Aloha Hawaii 2002 – ein Erlebnisbericht

 

Steckbrief Martin Hackmann
Alter: 35
Gewicht: 73 KG
Größe: 1,89 m
Verein: LTC Berlin
Beruf: Dipl.-Ing./ Technischer Aufsichtsbeamter
Aktiv seit: 1994

 

Martin Hackmann aus Berlin hat es geschafft, endlich. Im zweiten Anlauf wird er im Oktober in Kona dabei sein. Als qualifizierter Age Grouper gehört er in Hawaii damit zu den weltbesten Triathleten, die den Kampf gegen sich und die gnadenlose Uhr gewonnen haben. Im Oktober heißt es für Martin und viele andere Qualifizierte nur noch „Aloha Hawaii“ und genießen.

"Gebt alles...", "Sieht gut aus...", "Weiter so...!" Laute Anfeuerungsrufe peitschen die schweißnassen Gestalten durch die Berliner Innenstadt. Immer weiter, dem Ziel entgegen. Wir schreiben das Jahr 1994. Ich stehe zum ersten Mal an der Strecke beim Berliner "Plötze", einem damals noch großen innerstädtischen Triathlon. Hautnah erlebe ich das Flackern in den Augen der Athleten und die Begeisterung der Zuschauer. Die Faszination Triathlon packt mich. Das will ich auch probieren. Gesagt, getan. Mein neues Hobby nimmt zwar etwas mehr Zeit in Anspruch als Basketball und Surfen, verspricht aber wesentlich mehr Abwechslung. Als ich zum ersten Mal den IRONMAN auf Hawaii im Fernsehen verfolge, steht mein Ziel fest: Einmal den Hawaii-Kranz im Ziel von Kona entgegennehmen und das Finisher-Feeling genießen.

Training und Job - geht das?
Es sollte ein harter Weg werden. Beständiges Training, Durchhaltevermögen und ein eiserner Wille (vielleicht kommt daher ja auch der Begriff IRONMAN?). Nach meinem 45-Stunden-Ingenieursjob noch intensiv zu trainieren kostet manchmal schon einiges an Überwindung. Eigentlich bin ich ja ein "Low Budget"-Triathlet. Mein altes Müsing-Rennrad mit Aufsatz nutze ich jetzt schon seit sieben Jahren für Training und Wettkampf. Den einzigen Luxus, den ich mir leiste, sind verschiedene Laufschuhe. Wichtig ist, dass das Training auch auf deinen Körper und deine Leistungsfähigkeit zugeschnitten ist und du mentale Stärken entwickelst. Beim Triathlon kommt nämlich nicht nur einmal der Mann mit dem Hammer. Wenn du nicht aufpasst, erwischt er dich eiskalt.

Mein Trainingspensum
Tja, wie sieht also mein Trainingspensum aus? Normalerweise gehe ich in der Woche 3 mal Laufen (40 - 65 km), 2 mal Schwimmen (7 km) und schwinge mich 2 bis 3 mal auf meine Müsing-Maschine (200 – 300 km). Rund 70 % trainiere ich auf Grundlagenausdauer, 30 % auf Schnelligkeit. Schwimmen gehe ich meist alleine. Da kann man sich eh nicht unterhalten. Beim Laufen und Radfahren suche ich mir meistens Trainingspartner. So vergeht die Zeit einfach schneller. Außerdem gibt’s da immer kleine "Wettkämpfe" unter uns. Das ist noch mal ein zusätzlicher Kick.

Hawaii - erster Versuch
Letztes Jahr war es dann so weit. Zum ersten Mal nach langen Jahren des Trainings und der Wettkämpfe (unter anderem in Roth) lag die Hawaii-Qualifikation in Reichweite. Ich konnte es kaum glauben, aber bald nach dem Zieleinlauf war es sicher: Ich hatte die Quali für Hawaii in der Tasche und war nur happy! Als ich kurze Zeit später erfuhr, dass ich aus beruflichen Gründen keinen Urlaub nehmen konnte, war ich ziemlich enttäuscht. Verflucht! All die Mühen umsonst? Werde ich es je wieder schaffen? Einen ganzen Winter lang wechselte meine Stimmung fast täglich von "tief betrübt" bis "hoffnungsvoll enthusiastisch". Als der IRONMAN Hawaii im TV übertragen wurde, war ich den Tränen nahe. "Jetzt erst recht! Nächstes Mal", sagte ich mir immer wieder. Also weiter und Zähne zusammenbeißen!

Jetzt erst recht
Im Juli 2002 bin ich wieder am Start. Beim IRONMAN Austria in Klagenfurt soll es klappen. Ich schwebe zwischen Hoffen und Bangen! Vier Monate habe ich mich intensiv vorbereitet. Zum Glück blieb ich diesmal verletzungsfrei. So konnte ich fast jede Trainingsminute genießen. Dann ist es soweit, der Startschuss hallt in meinen Ohren. Vielleicht war ich vorher aufgeregt, im Wettkampf bleibe ich ruhig und konzentriert. Als ich schließlich mit einer Endzeit von 08:53 Stunden ins Ziel laufe, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Mit dieser Zeit hatte ich nicht im Traum gerechnet. Ich gewinne die Altersklasse 35 und habe das Ticket für Hawaii in der Tasche! Unglaublich, aber wahr! Ich hätte heulen können! Dieses Jahr werde ich endlich dabei sein, in Hawaii, dem Mekka aller Triathleten. Ich werde jede Minute genießen, die Atmosphäre in mich aufsaugen und versuchen, das Beste aus mir rauszuholen. Aber eigentlich ist die Zeit völlig egal. Ich bin dabei. Nur das zählt. Danach werde ich meine geschundenen Knochen in die Sonne Hawaiis packen und zwei Wochen lang nicht an Triathlon denken. Vielleicht ist Hawaii ja auch ein gelungener Schlusspunkt meiner Triathlon-Karriere? Vielleicht...

Vor dem Abflug - jetzt wird's ernst

Martin Hackmann aus Berlin hat es geschafft, endlich. Am 19. Oktober wird er in Kona dabei sein. Bereits im ersten Teil berichtete Martin über seine Qualifikation. Für Martin und viele andere Qualifizierte heißt es nun "Aloha Hawaii" - der Sonne entgegen.

Hawaii im Kopf
Ob ich nervös bin? Ja, ich glaube schon. Meine Gedanken kreisen zur Zeit nur um Hawaii. Ich kann mich kaum noch auf die Arbeit konzentrieren. Am 12.10. werde ich mit meinem Bike-Koffer und natürlich viel zu viel Gepäck in Berlin-Tegel stehen. Es wird ein langer Flug mit Zwischenstops in Frankfurt und Los Angeles. Aber egal, die paar Stunden mehr machen dann auch nichts mehr. Dicke Beine und Jet Lag sind eh schon eingeplant. Immerhin bleibt mir ja noch eine Woche bis zum Startschuss.

Paradies – ich komme
Gebucht habe ich die komplette Reise bei Hannes Hawaii Tours. Einige Kollegen hatten bereits gute Erfahrungen gesammelt: "Du brauchst dich um nichts zu kümmern", "Tolle Stimmung". Meine einzige Sorge ist, dass ich zu viele Hawaiianische Burger genieße und dann mit Übergewicht an den Start gehe. Wohnen werde ich in "White Sands", einer Appartementanlage außerhalb von Kona mit eigenem Strand. Sounds good!

Fanclub on Tour
Wie es sich gehört, bringe ich natürlich meinen eigenen Fanclub mit. Meine Freundin lässt mich leider im Stich: Kein Geld, kein Urlaub. Auch mein Teamkollege Stefan, mit dem ich zusammen die Quali geschafft habe, kneift: Plötzliche Flugangst! Hä? Lieber Stefan, so wird das aber nie was mit Hawaii!
Trotzdem habe ich noch eine klasse Runde zusammen bekommen: Fanclub-Vorsitzende ist natürlich meine Mutter, die sich schon tierisch auf Hawaii freut. Ergänzt wird der Club durch meinen ehemaligen Arbeitskollegen mitsamt Family und zwei Basketball-Freunden aus Bremen. Für lautstarke Unterstützung ist also gesorgt. Außerdem werde ich in Kona wohl einige andere Starter sehen, die ich aus der Tria-Szene kenne. Nach meinem ersten Live-Bericht auf tri2b.com gab’s eine große Resonanz im Bekanntenkreis. Viele haben mich auf den Internet-Bericht angesprochen. In Osnabrück, meiner Heimatstadt, hat die Zeitung sogar einen Artikel über meine Quali gebracht. In Berlin geht Triathlon leider ein bisschen unter, schade!

Training – Die Luft war raus
Die letzten beiden Wochen wollte ich im Training noch mal richtig Gas geben. War aber nix. Hab mir direkt wieder eine Erkältung eingefangen. Aber die Luft war nach Klagenfurt eh raus. Bis das Training wieder Spaß machte, hat’s eine Weile gedauert. Beim Berlin-Man (Mitteldistanz) musste ich sogar beim Lauf aussteigen. Es ging nicht mehr. Aber irgendwann macht es sich halt bemerkbar, wenn man berufstätig ist und zwei schwere Langdistanzen im Jahr "fahren" will. In Hawaii werde ich es langsam angehen lassen. Der Druck ist weg. Ich will nur "aufrecht" ankommen, die Stimmung aufsaugen und die Strecke genießen. Ein bisschen Respekt habe ich aber schon. Wenn ich unter zwölf Stunden ankomme, bin ich vollkommen zufrieden.

Die letzten Tage
Schlafen, essen, Sonne tanken, schwimmen, schlafen, essen ... So wird wohl meine letzte Woche in Kona aussehen. Meine bisherigen Erfahrungen mit der "Ruhe vor dem Sturm" sind sehr gut. Zu viel Action kann jetzt nur noch schaden. Vielleicht schaue ich mir vor dem Wettkampf noch Teile der Radstrecke an. Soll ja beruhigen...

Erholung pur
Nach dem Zieleinlauf wird auf Erholungsprogramm umgeschaltet: Eine Woche Maui mit viiiiiel Sonne und Meer. Da freue ich mich jetzt schon drauf. Auf dem Rückflug lege ich dann einen Stop-Over in Houston ein und besuche meine ehemalige Gastfamilie von 1984. War ein tolles Jahr als Austauschschüler. Damals wollte ich noch Basketballer werden. Tja, so kann’s gehen...

Mythos Hawaii – für Martin Hackmann aus Berlin wurde endlich ein Traum wahr. Am 19. Oktober war es soweit: Der Startschuss zum IRONMAN Hawaii ertönte und Martin war mittendrin. Als qualifizierter Age Grouper gehörte er in Hawaii zu den weltbesten Triathleten, die den Kampf gegen sich und die gnadenlose Uhr gewonnen haben. Tri2b hat Martin nach dem Rennen interviewt und mit ihm zusammen den dritten und abschließenden Teil seines Erlebnisberichts für euch verfasst.

Welcome to paradise
Ich bin wirklich hier, ich kann's kaum glauben, wandle unter Palmen im Paradies und auf dem "heiligen Boden" der Triathleten: Hawaii. Im Flugzeug hatte ich versucht, wenig zu schlafen, um dem drohenden Jet Lag ein Schnippchen zu schlagen. Dadurch gab's nach der Ankunft kaum Probleme mit der Zeitumstellung (MESZ: 12 Stunden zurück). Mehr machte mir dagegen das typische Hawaii-Klima mit hohen Temperaturen und extremer Luftfeuchtigkeit zu schaffen . Mein Ruhepuls war direkt von 40 auf 55 Schläge angestiegen.

Die Stimmung vor dem Rennen
Trainiert hatte ich nur noch ganz locker. Nachdem ich mir bei zwei kurzen Radausfahrten sechs Platten einfing, hatte ich mein Bike erst mal fluchend in die Garage gestellt. Grandios war die Stimmung immer morgens am Pier. Ab sieben Uhr morgens ging es zu wie in einem großen Ameisenhaufen. Die Bojen für den Wettkampf lagen schon aus und man konnte sich schon mal orientieren. Den ersten Frust gab's dann, als ich mich ohne Neo durch Wind um Wellen kämpfen musste. Da kamen mir dann schon Gedanken wie "Schaffe ich das Schwimmen?" oder "Komme ich überhaupt an?". Aber ein bisschen "Bauchgrummeln" gehört wohl einfach dazu.

Relaxte Profis
Die Profis waren erstaunlich locker und entspannt. Ständig begegneten mir welche am Strand, in Cafés oder beim lockeren Training. Unsere Unterkunft war genial: Direkt am Strand und am Alii-Drive. Auch Nina Kraft, Thomas Hellriegel und Markus Forster hatten hier eingecheckt. Mit Thomas und Markus waren wir einige Tage nach dem Wettkampf noch Klippenspringen. Beruhigend fand ich, dass auch die beiden vor dem Zehn-Meter-Sprung von der Klippe kurz gezögert haben. Triathlon und Klippenspringen ist halt doch ein Unterschied.

Noch ein paar Stunden...
Die Nacht vor dem Rennen war total entspannt. Noch nie habe ich vor einer Langdistanz so gut geschlafen. Vielleicht wegen dem Weizenbier? Da es aber nur eins war, glaube ich eher, dass die Wellen des Pazifiks mich in den Schlaf gesäuselt haben. Um vier Uhr holte mich der Wecker unsanft aus meinen paradiesischen Träumen. Die ganze Nacht hatte es stark geregnet. Hey, so hatte ich mir Hawaii aber nicht vorgestellt. Okay, gehen wir's an: erst in Ruhe frühstücken, dann mit dem Shuttle zum Pier. Die erste kleine Panik gab's dann bei der Oberarmbeschriftung. Da schlecht organisiert dauerte die Prozedur fast eine Stunde. Kaum noch Zeit für letzte Vorbereitungen in Ruhe. Dazu kam noch, dass ich für mein inzwischen "gebadetes" Rad kein Kettenöl dabei hatte. Zum Glück waren die Amerikaner sehr hilfsbereit.

Hohe Wellen beim Schwimmen
Ob ich nervös war? Ja, aber eigentlich nur kurz vor dem Schwimmstart. Ein langer Tag lag schließlich vor mir. Aber ich wollte es genießen. Der Druck war weg. Ich musste mich nicht qualifizieren und Siegambitionen hatte ich eh nicht. Ich war einfach froh, dabei zu sein und war gespannt, wie ich mit den harten Bedingungen auf Hawaii zurecht komme. Es ging los. "Etwas zu früh", dachte ich noch, als ich den Knall hörte. Um Gedränge zu vermeiden, hatte ich mich ganz links eingeordnet, abseits der Bojen und der Massen. Nach 500 Metern wurde es dann doch eng. Um mich herum nur noch Arme und Füße, die mir ins Gesicht schlugen. Kein Vergnügen. Dazu schwappten die Wellen ganz schön hoch. Als ich aus dem Wasser kam und die Zeit sah (01:06 h) war ich hochzufrieden. Besser als ich vorher gedacht hatte. Ach ja, was ich Hawaii-Triathleten empfehlen kann: Schaut euch vor der Abreise keine TV-Berichte über Haiunfälle in Hawaii an. Man sieht nur noch Flossen um sich...

Einsam auf dem Asphalt
Die ersten Kilometer auf dem Rad ging ich sehr verhalten an. Mein Puls war selten über 140 Schläge. Dann kamen die ersten Beschwerden: der Magen rebellierte. Es war, als hätte ich einen dicken Klumpen verschluckt. Ich vermute, dass es am eiskalten Gatorade und dem chlorierten Wasser lag, das auf der Radstrecke gereicht wird. Ansonsten fand ich die endlos langen Strecken auf dem Rad einfach klasse. Du wirst nicht abgelenkt und kannst völlig deinen Gedanken nachhängen. Einsamkeit pur. Fast wie Meditation.

Marathon mit Magenproblemen
Als ich vom Bike stieg, konnte ich wegen meiner Magenprobleme kaum aufrecht stehen. Andererseits fühlten sich meine Muskeln noch richtig gut an. Also weiter. Aufgeben? Was ist das? Ich vertraute darauf, dass es mir beim Laufen schon besser gehen würde. Die ersten Kilometer waren natürlich hart. Ich war erst mal froh, völlig einsam die Rollbahn des alten Flughafens entlang zu laufen. Meine Verpflegung hatte ich umgestellt auf Bananen pur und Wasser. An meine Powerbar-Gels, die ich mitschleppte, konnte ich noch nicht mal denken. An jeder Verpflegungsstation dann einen Becher Cola. Nach einer Weile wurde es immer besser und ich konnte sogar noch mal Gas geben.

Finisher feelings
Die Stimmung und Unterstützung auf den letzten Kilometern war natürlich der Wahnsinn. Vorher die Einsamkeit der Natur, Asphalt und Wüste, dann dieser Lärmpegel im Zielbereich. Du fühlst dich wie im Rausch. Als ich in 10:10 h schließlich über die Ziellinie lief, wusste ich, wofür ich mich in der Quali gequält hatte: Hawaii ist Hawaii. Wer nicht da gewesen ist, hat etwas verpasst. Obwohl Hawaii inzwischen richtig Geld kostet: Startgeld 407 Dollar, Fotos 40 Dollar. Preiserhöhungen im nächsten Jahr sind wohl jetzt schon sicher. Ein Starter in Hawaii macht's anders: Jedes Jahr bewältigt er zeitgleich dieselben Distanzen, allerdings ohne angereichte Verpflegung und ohne Finisher-Shirt, dafür aber auch ohne die 407 Dollar Startgeld!

Und abschalten
Nach einigen Parties in Kona und an den Stränden entspanne ich mich gerade auf Maui. Traumhaft: Wellen, Wind und Surfer. Am Strand entspannen, mit Delfinen im Meer schwimmen, einfach abschalten. Meine Blasen an den Füßen tun kaum noch weh. Leider geht's Anfang November schon wieder zurück. Nächstes Jahr ist erst mal Schluss mit Langdistanzen. Im Frühjahr werde ich wohl ein paar Duathlons machen. Aber vielleicht packt es mich ja im übernächsten Jahr noch mal. Wer kann schon dem Lockruf des Paradieses widerstehen. In diesem Sinne: Aloha Hawaii...

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