Wie man sein Bike für den Winter fit macht

Für all jene, die dem Trend zum Zweit- und Drittrad (noch) nicht folgen, stellt sich alljährlich zum Herbst die Frage, ihr Gefährt entweder einzumotten oder es, gut imprägniert, auch im Winter zu nutzen. Diejenigen, die sich fürs Weiterfahren entscheiden, tun gut daran, sich mit Wert erhaltenden Maßnahmen auseinanderzusetzen, egal, ob das Bike im Wohnzimmer auf der Rolle oder im Freien eingesetzt werden soll.

Indoor

Was zunächst banal erscheinen mag, ist bei genauerem Hinsehen durchaus sinnvoll: auch für Indoor-Use schadet es dem Fahrrad nicht, gewisse vorbereitende Maßnahmen zu erfahren. Zwar pökelt niemand die gute Stube mit Streusalz, aber bereits Schweiß kann zu Korrosion an Rahmen und Anbauteilen führen. Vor allem, wo Zuganschläge an Rahmenrohre nur genietet sind, ist es mit der Lack- oder Pulverbeschichtung zwischen Rohr und Zugabstützung nicht weit her.

Dringt hier Schweiß ein, frisst sich die bald einsetzende Korrosion unter der Farbbeschichtung weiter am Rohr entlang. Wenn dann die ersten Blasen und Lackablösungen sichtbar sind, ist es für eine Restauration bereits zu spät.

Besonders Alulegierungen sind bei Sichtbarwerden der Schäden schon soweit zerfressen, dass nur ein Austausch des Rahmens wieder die notwendigen Sicherheitsreserven herstellen kann. Um hier dem Rad eine Imprägnierung angedeihen zu lassen, ist es empfehlenswert, sich im Fahrradfachhandel mit Schutzwachs zu versorgen. Es wird in Sprayform angeboten und versiegelt Spalte und Ritzen, ebenso Schraubenköpfe mit billiger Verchromung, wie sie bisweilen bei Vorbau- und Lenkerklemmungen anzutreffen sind, und Brems- sowie Schaltzüge.

Ein besonderes Schmankerl ist das Korrosionsnest Flaschenhalter: Hier rinnen nicht nur im Sommer der Trinkflasche entwichene Getränke ins Gewinde, sondern zusätzlich bei Regenfahrten Spritzwasser und beim Indoorcycling eben wiederum Schweiß. Abhilfe bringt auch hier entweder das Schutzwachs, mit dem die Schrauben vor dem Anbau ebenso einbalsamiert werden wie die Gewinde (vor allem bei eingenieteten Gewinden wird damit auch der Rand wiederum geschützt), oder ein Klecks Mehrzweckfett. Apropos Fett: „Wer gut schmiert, der nie verliert“ lautet eine Bauernweisheit unserer Altvorderen. Wer es jedoch mit der Kette zu gut meint und dabei vergisst, dass diese auch auf der Rolle hohe Geschwindigkeiten erreicht, mit denen sie durch den Schaltwerkskäfig schnurrt, handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch Händel mit dem Partner ein. Wo abgeschleuderte Kettenschmiere in der Botanik nicht auffällt, tut sie es auf dem heimischen Teppich mit Sicherheit.

Eine Spezialität beim Rollenfahren sind die auftretenden Belastungen am Rahmen. Früher war dies bei Stahlrahmen ein relativ kleines Problem, da die Muffenlötung, richtig ausgeführt, noch ganz anderen Belastungen stand hielt als dem Wiegetritt bei eingespanntem Rahmen. Heutige Rahmenkonstruktionen, die einerseits auf minimales Gewicht und andererseits auf maximale Stabilität nur in bestimmte Richtungen konfiguriert werden können, vertragen sehr häufig die beim Rollenfahren auftretenden, aber nicht vorgesehenen Belastungen nicht. Bisher verbieten nur wenige Fahrradmarken konkret das Einspannen an Rohren oder Ausfallenden, eine ausdrückliche Freigabe und Unbedenklichkeitserklärung wird aber im Sinne uneingeschränkter Nutzung auf der Rolle kein Hersteller erteilen.

Outdoor

Deutlich komplexer sind die Vorbereitungen für den Einsatz im Freien. Hier kann davon ausgegangen werden, dass jedes ungefettete Gewinde, jeder schlecht imprägnierte Zug oder nicht gewachste Speichennippel die Nachlässigkeit bei der Vorbereitung rächen wird.

Zunächst gibt es jedoch einige grundsätzliche Überlegungen: Soll das Bike mit Schutzblechen aufgerüstet werden, wird eine Lichtanlage notwendig werden, muss die Bereifung den besonderen Anforderungen von gesplitteten Radwegen oder eisglatten Fahrbahnen angepasst werden?

Es gibt zwar eng anliegende und schnell zu montierende Schutzbleche für Rennräder, unter diese passen aber breitere und damit auch höhere Reifen nicht ohne Weiteres, und wenn Schnee an Rad und Reifen festgebacken ist, wird dadurch nicht nur die Funktion der Bremse gestört, sondern auch der Einsatz dieser Raceblades unmöglich.

Zum Thema „Beleuchtung“ empfiehlt sich das genaue Studium von „Schmaddes Beleuchtungskompendium“, einem in dieser Art unvergleichlichen Nachschlagewerk, das alle diesbezüglichen Fragen im wahrsten Sinne des Wortes beleuchtet. Letztlich wird der Einsatzzweck entscheiden: Will man sehen oder nur gesehen werden, wie schnell ist man unterwegs, fährt man im Gelände oder ist man im Bereich der StVZO unterwegs? Und, nicht zu vergessen: Der Finanzminister redet ein gewichtiges Wörtchen mit! Die Preisspanne reicht von nicht mal 15 Euro für ein komplettes Beleuchtungsset mit Prüfzeichen bis hin zu knapp vierstelligen Beträgen für illegale Flutlichtstrahler, die auf der Straße nichts verloren haben.

Sind diese Äußerlichkeiten geklärt, geht es ans Eingemachte. Die wenigsten Fahrräder kommen mit einem Hohlraumschutz serienmäßig. Diesen sollte man aber für einen Winter auf deutschen Straßen unbedingt als grundlegende Vorbereitung für alle Rahmen sehen, die nicht aus Titan- oder Carbonmaterial gebaut wurden. Auch Edelstahl ist nur in besonderen Legierungen in Meerwasser korrosionsfrei– der Salzgehalt frisch gepökelter, deutscher Straßen ist sogar noch höher als der von Meerwasser, das Tote Meer vielleicht ausgenommen.

Zum Versiegeln wird der Rahmen komplett gestrippt und Hohlraumversiegelung in alle Rohre gesprüht. Liefert der Hersteller kein geeignetes Sprühröhrchen mit, kann man den Teflonliner von Außenzughüllen verwenden. Einfach am Ende zuschmelzen und mit einer Stecknadel Sprühöffnungen einpieksen. Das andere Ende auf dem Sprühkopf der Dose anbringen, die Leitung im Rohr versenken und beim Sprühen langsam herausziehen. Zuviel ist eigentlich nicht möglich, überschüssiges Konservierungswachs tropft heraus und nur Gewichtsfetischisten werden die Gewichtszunahme des Rades bedauern.

Nun, da eh alles zerlegt ist, kann man die Sitze von Steuersatz und Tretlager fetten, von Letzterem vor allem die Gewinde im Rahmen. Anschließend werden Gabel und Innenlager wieder eingebaut, nachdem auch hier die Schrauben von Vorbau und Kurbelklemmung mit Schutzwachs behandelt wurden. Als nächstes sind wieder die Flaschenhaltergewinde dran, gefettet bzw. gewachst zu werden. Eine Spezialität ist die Sattelstütze: je nach Materialkombination verbietet sich der Einsatz von Schmiermitteln. Sobald bei Rahmen oder Stütze Carbon im Spiel ist, wird nur Montagepaste verwendet; eine spezielle Mixtur mit mikroskopisch kleinen Kunststoffkügelchen, die bei Druck zerquetscht werden, hilft hier, die Klemmung zu verbessern und das Material im Klemmbereich zu schonen.

Kommen bei Rahmen oder Sattelstütze Titanteile zur Verwendung, ist der Einsatz von Anti-Seize-Paste obligatorisch. Auch hier großzügig auftragen, denn es gilt, den Eintritt von Spritzwasser vom Hinterrad zu vermeiden – Wasser, welches unten nicht abfließt, wenn bei der Rahmenvorbereitung ordentlich gearbeitet wurde.

Eine weitere Schlüsselstelle für Wassereintritt erfordert volle Aufmerksamkeit überall dort, wo Innenzüge in Außenzughüllen verschwinden oder wieder auftauchen. Schon bei Temperaturen knapp über 0°C beginnt eingedrungene Feuchtigkeit, Schaltung und Bremse zu lähmen, um bei weiter sinkenden Temperaturen komplett einzufrieren. Gegenmittel sind hier nur komplett geschlossene Zugsysteme oder aufwendiges Präparieren mit Glysantin, welches mit einer Spritze in neue (!) Außenzughüllen mit gedichteten Endhülsen geträufelt wird, bevor ebenfalls neue Edelstahlzüge verbaut werden. Der bescheidenere Versuch des kleinen Handwerkmeisters beschränkt sich auf geduldiges Einarbeiten von Kriechöl und die Hoffnung, dass dies eindringende Feuchtigkeit verdrängt und so ein Einfrieren verhindern kann. Wird die Hoffnung enttäuscht, gibt’s als Abhilfe in akuten Fällen nur eine Lösung: draufpinkeln! Die Herren dürfen dabei im Stehen zu Werke gehen, müssen aber trotzdem gut zielen: Sprenkler auf der Felge frieren ein und degradieren jede Felgenbremse zu wirkungslosem Ballast! Dagegen ist dann absolut kein Kraut mehr gewachsen und es gibt auch keinerlei diesbezüglichen Schutz für die Felge.

Anders als bei Nippelösen und Speichennippeln: diese werden wieder mit Schutzwachs behandelt. Das ist eine zeitraubende Angelegenheit, denn man kann nur vorsichtig träufeln oder, auf einen Lappen aufgetragen, einmassieren. Nicht vergessen, den Übergang zwischen Speiche und Nippel „abzudichten“. Auf keinen Fall darf von dem Wachs auf die Bremsflanke der Felge gelangen! Das Entfernen ist schwierig bis unmöglich und gelingt am ehesten mit Silikon- oder Teerentferner aus dem Autozubehör oder Aceton.

Sollen ohnehin wintertaugliche Reifen aufgezogen werden, ist es optimal, auch den Hohlraum der Felge zu wachsen, um die Nippelköpfe zu schützen. Manchmal gelingt dies mit dem Eigenbausprühröhrchen vom Rahmenimprägnieren, welches durchs Ventilloch eingeführt wird; meist muss jedoch das Felgenband entfernt werden.

Bleibt zu guter Letzt die Kette. Hier ist ein Schmiermittel mit guter Kriechwirkung gefordert, welches Feuchtigkeit unterwandert, druckstabil ist und die Oberflächen gut benetzt, ohne dass Schmutz daran haften bleibt. Die meisten Schmierstoffhersteller haben wenigstens eine besondere Rezeptur im Programm, die den erhöhten Anforderungen bei Nässe Rechnung trägt. Um eine frisch geschmierte Kette an den Gelenken und Rollen vor dem Eindringen von Schmutz zu schützen, kann auch diese nach dem Abwischen überschüssigen Schmiermittels mit Sprühwachs versiegelt werden.

Trotz gewissenhafter Vorbereitung muss das gepökelte Fahrrad regelmäßig mit großzügigem Wassereinsatz abgewaschen werden; allerdings genügt es dann, nach dem Trocknen und Kettenschmieren eine neue Schicht Wachs aufzubringen, und das Bike ist für den nächsten Einsatz präpariert.


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