|
|
|
Höhentraining 01/2023 Beim Höhentraining handelt es sich im Prinzip um eine einfache Methodik: Ein Sportler absolviert für einen Zeitraum von drei bis vier Wochen seine Einheiten in dünnerer Luft auf rund 2.200 Meter über Normalnull, um anschließend im Flachen aufgrund des relativ gesehenen mehr zur Verfügung stehenden Sauerstoffs Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten zu haben. Was sich in der Theorie so simpel anhört, gestaltet sich in der Praxis jedoch weitaus schwieriger. Grundlagen Die erste Anpassung unseres Organismus in der Höhe ist unmittelbar feststellbar: Der Puls beschleunigt sich und die Atmung wird schneller. Ursache ist nicht der Sauerstoffanteil in der Luft, der mit rund 20,95 Prozent genauso hoch ist wie auf Meereshöhe, sondern der mit jedem Höhenmeter niedrig werdende Luftdruck. Die Luft wird umgangssprachlich dünn. Da das Lungenvolumen jedoch unverändert bleibt, versucht der Organismus durch eine Anpassung der Atmung (schneller) den Sauerstoffmangel auszugleichen. Dadurch steigt nicht nur der Puls, sondern auch der PH-Wert des Blutes, da mehr Kohlendioxid ausgeatmet wird als normal. Eine Folge davon ist, dass über die Nieren mehr Bikarbonate ausgeschieden werden, wodurch sich die Säureausgleichkapazität des Blutes verringert. Eine Reaktion des Sauerstoffmangels in den Nieren ist die erhöhte Ausschüttung von Erythropoetin, besser bekannt unter dem Begriff Epo, das im Knochenmark die Stammzellen dazu animiert, mehr Blutzellen zu produzieren. Die Nieren reagieren ziemlich schnell auf die Höhe, sodass bereits nach 24 bis 72 Stunden die Maximalausschüttung erreicht ist. Darüber hinaus verliert der Körper durch eine effektivere Nierenfunktion mehr Flüssigkeit als normal. Gepaart mit weiteren Flüssigkeitsausscheidungen (atmen, schwitzen) führt dies zu einem kurzfristig erhöhten Hämoglobingehalt im Blut, das wiederum in Relation zum Blutvolumen und dem Hämatokritwert zu sehen ist. Nach etwa drei Wochen Aufenthalt in der Höhe hat der Körper sich vollständig akklimatisiert. Atmung, Puls, Nierenfunktion und das Blutvolumen sind wieder normal, lediglich die Hämoglobin- und Hämatokritwerte liegen höher als vorher. Live high Train high Bei Untersuchungen wurde festgestellt, dass Athleten, die in der Höhe wohnen und trainieren, auch bei einem in der Höhe durchgeführten Leistungstest deutlich höhere VO²max-Werte erreichen als Sportler, die auf Meeresebene trainieren und wohnen. Dieser Vorteil der Höhenathleten verpufft jedoch, wenn der Test mit den gleichen Personen im Flachland stattfindet. Dann nämlich konnten keine Unterschiede mehr festgestellt werden. Und an diesem Punkt wird aus einer auf dem ersten Blick einfachen Thematik eine Wissenschaft für sich. Und dabei ist die Aufnahmekapazität an Sauerstoff nur ein Faktor von sehr vielen, die unsere Leistungsfähigkeit beeinflussen. Eine bedeutende Rolle spielt auch, wie viele Muskeln durch unser Nervensystem mit welcher Intensität aktiviert werden können. Der begrenzende Faktor ist hierbei wahrscheinlich sogar eher die Sauerstoffsättigung im Gehirn und im Herzmuskel. Dies hat zur Folge, dass die Einheiten in der Höhe aufgrund der veränderten Sauerstoffaufnahme nicht so intensiv sein können. Ganz im Gegensatz zu den Athleten, die auf Meeresebene trainieren. Auf dem ersten Blick scheint es also, dass sich diese beiden Trainingsmethoden gegenseitig ausgleichen: Intensives Training auf Meeresebene erfolgt ohne Anpassung der Blutwerte Hämoglobin und Hämatokrit, ganz im Gegensatz zu weniger intensivem Training in der Höhe. Live high Train low Diese Ergebnisse sind bereits seit rund 35 Jahren bekannt, aber gerade die Ausdauersportler sind ständig auf der Suche nach neuen wirkungsvolleren Trainingsformen. Eine logische Konsequenz, beide Trainingsformen miteinander zu kombinieren. Dabei wurde ziemlich schnell erkannt, dass das Trainieren in der Höhe bei gleichzeitigem Wohnen auf Meeresebene keine nennenswerten Leistungssteigerungen mit sich brachte. Bei der Variante live high (etwa auf 2.200 Meter über Normalnull) train low (unter 1.200 Meter über Normalnull) hat man hingegen folgende Effekte festgestellt: Während sich nach einem dreiwöchigen Training bei einem Teil der untersuchten Athleten die leistungsrelevanten Blutwerte kaum verändert haben, verbesserte sich die Leistung bei dem anderen Teil um durchschnittlich ein bis zwei Prozent. Ein Wert, der im Spitzensport über Sieg und Niederlage entscheiden kann, im Altersklassenbereich auch den Sprung auf das Siegerpodest ermöglicht. Leider existieren in Europa nicht so viele geeignete Plätze, an denen das live high-train low-Training auch unter Berücksichtigung der Kosten und der Strapazen für die Fahrten logistisch umsetzbar ist. Aber auch das Training selbst kann etliche Stolpersteine mit sich bringen. In der ersten Woche muss dem Organismus genügend Zeit zur Anpassung gegeben werden. Dies bedeutet, keine anaeroben, sondern ausschließlich aerobe Einheiten mit kurzen Sprints von höchstens zehn Sekunden Dauer. Dabei umfasst das Training lediglich 50 Prozent der Umfänge auf Meereshöhe. Um die Akklimatisierung zu beschleunigen, kann der Athlet den größten Teil der ersten Woche auch in der Höhe bleiben. In den restlichen zwei bis drei Wochen wird dann das normale Training durchgeführt. Und sollten die logistischen Rahmenbedingungen suboptimal sein, ist darauf zu achten, dass grundsätzlich alle schnellen und hochintensiven Einheiten nicht in der Höhe absolviert werden. Und danach? Genauso wie der Körper sich an die Höhe gewöhnen muss, muss er sich auch den veränderten Umgebungsvariablen auf Meeresebene anpassen. Und da diese Phase unter Berücksichtigung der individuellen Vorgänge im Organismus zwischen zehn und 21 Tage dauern kann, handelt es sich bei dem Abstieg um die kniffeligste Phase im Rahmen der Planung eines Höhentrainingslagers: Wann und wo ist mein Saisonhöhepunkt? Aus diesem Grund entscheiden sich mittlerweile viele Sportler dazu, speziell in der Trainingsphase erst sehr kurzfristig, das heißt, drei Tage vor dem Wettkampf, aus der Höhe anzureisen. Vor das Trainingslager:
Während das Trainingslager:
Danach:
Praktische Empfehlungen Grundsätzlich eignet sich das Höhentraining für jeden gesunden Athleten. Allerdings handelt es sich dabei um eine logistisch aufwändige und teure Alternative der Leistungsoptimierung, deren Erfolg letztendlich von vielen Faktoren beeinflusst wird. Diese Methode ist für leistungsorientierten Triathleten, die trainingswissenschaftlich alles ausprobiert haben, zu empfehlen. Schließlich bedeuten eine ein bis zwei Prozent schnellere Zeit für einen 9-Stunden-Langdistanzathleten satte elf Minuten. Unmittelbar nach dem allerersten Training in der Höhe den Saisonhöhepunkt zu bestreiten, ist nicht zu empfehlen. Je mehr Erfahrungen man mit dem Höhentraining gesammelt hat, umso besser weiß man, welche Vorgehensweise am besten wirkt. Darunter fällt auch die Möglichkeit, im Nachgang zu Hause in einem Höhenzelt zu schlafen. Auch bietet sich an, nach dem ersten Höhentraining mehrere hintereinander liegende Wochenendausflüge in die Höhe anzuhängen, während man unter der Woche auf Meeresebene seinem Körper eine ausreichende Erholung ermöglicht.
St. Moritz (Bernina-Pass 12 % 2.330 m) [mehr]
Sportpark Rabenberg / Erzgebirge 2 3 DJH
|