Fortsetzung: Richtig trinken am Wettkampftag

Sportmedizin: Gefährliche Leistungsbremse Leitungswasser von Jens Richter/tri2b-Info 2003

Rund um die Ziellinien großer Ausdauer-Events behandeln Rennärzte immer häufiger Sportler, die durch fleißiges Wassertrinken die fein abgestimmte Salzbalance ihres Körpers gefährlich durcheinandergebracht haben. Auch im Triathlon wird das Phänomen der Natriumverarmung beobachtet.

Marathonläufer, die auf der Rennstrecke viel Wasser trinken, können damit ihr Leben gefährden. Das fanden Ärzte der University of California in San Francisco heraus, als sie vor einigen Jahren schwer erklärbare Todesfälle bei Läufern untersuchten. Die Sportler hatten Wasser und Salze ausgeschwitzt, den Flüssigkeitsmangel aber offenbar nur mit salzlosem Wasser ergänzt. Durch den entstandenen Mangel konnte Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das Gewebe von Lunge und Hirn übertreten, Ödeme führten schließlich zum Tod.

Gefährliche Parolen aus dem Internet
Früher, berichtet Dr. Lewis Maharam, medizinischer Leiter beim New York City Marathon, zählte die Mehrheit der Teilnehmer eines Marathons zu den erfahrenen Läufern. Heute seien viele Sportler Neulinge mit wenig Praxis. Auch in Deutschland erlebt die Ausdauer- und Marathonbewegung einen Boom: 81499 Teilnehmer verzeichneten zusammengenommen die zehn größten Marathonveranstaltungen in Deutschland im vergangenen Jahr, von Berlin über den Rennsteig bis nach Duisburg.

Mit diesem Run auf den Run kann die läuferische Erfahrung selten Schritt halten. Statt sich allmählich an die große Herausforderung heranzutasten, suchen Marathon-Novizen in Foren des Internet nervös um Rat. Der fällt nicht immer fundiert aus und lautet oft: Trinken, was reingeht. In den Tagen vor dem Rennen, währenddessen und nachher, nicht erst mit sondern vor jedem Durstgefühl.

Solche Parolen bezeichnet der südafrikanische Sportwissenschaftler Tim Noakes als gefährlichen Unsinn: Menschen seien keine Kamele und könnten folglich kaum Wasser speichern. Die Empfehlung, in den letzten zwei Stunden vor dem Startschuss „vorzutrinken“, um im Rennen genug körpereigene Wasserreserven zu haben, führe lediglich zu einer vermehrten Ausscheidung über die Nieren. Im schlimmsten Fall könne es aber auch eine Wasservergiftung einleiten, sagt Noakes. Normalerweise sei das Durstgefühl ein guter Regulator für den Flüssigkeitsbedarf des Körpers.

Überschwemmungsgefahr
Die Gefahr liegt in Salzverlusten, die der Körper nicht zurückbekommt. Schweiß besteht zu knapp 98 Prozent aus Wasser ansonsten vor allem aus Natrium und Chlorid, Kalium, Kalzium und Magnesium in dieser absteigenden Reihenfolge. Die Verluste beim Schwitzen stammen überwiegend aus der Blutbahn. Weil Salze – vor allem Natrium – Wasser physikalisch binden, bedeutet jeder Salzverlust eine geringere Fähigkeit, Flüssigkeit im Gefäßsystem festzuhalten.

Wird jetzt viel Wasser getrunken, gelangt das über den Darm zunächst in die Blutgefäße, sickert aber kurz darauf schon in das umliegende, noch salzreichere Gewebe. Die Folge: Als erstes lässt die Leistung nach, dann schwellen die Hände und Füße an. Später tritt Wasser in das Lungengewebe über und kann Atemnot verursachen. Besonders kritisch aber wird die Überschwemmung mit Wasser für das Gehirn, denn für Schwellungen ist im Schädel überhaupt kein Platz. Hirnödeme führen zwangsläufig zu erhöhtem Schädelinnendruck mit Bewusstseinsstörungen, Schwindel, Erbrechen und Krämpfen und im schlimmsten Fall zum Koma und Tod.

Getäuschte Athleten, irregeleitete Rennärzte
Tückisch für den Athleten kann es werden, wenn die verringerte Natriumkonzentration im Blut (Hyponatriämie) den „Durstzentren“ im Gehirn vorspiegelt, es bestehe kein Mangel, sondern eher ein Überschuss im Flüssigkeitshaushalt. Dann wäre gänzlich Schluss mit der gesunden Regulation des Dursts. Und irreführend für die Rennärzte: Die Symptome der Hyponatriämie ähneln denen einer Austrocknung (Dehydrierung). Infusionen mit der üblichen isotonen Salz- und Glucosekonzentration würden den Zustand schnell verschlechtern. Ausgerechnet die medizinische Notfallbehandlung könnte zur Verschärfung der Lage, im schlimmsten Fall zum Tod führen.

Der Ärztliche Direktor des 1. Ironman Germany Triathlon in Frankfurt, Dr. Klaus Poettgen berichtete im vergangenen August von zwei Fällen bedrohlicher Hyponatriämie bei Teilnehmern der mehr als zehnstündigen Hitzeschlacht. Poettgen’s Rennärzte bestimmten den Natriumgehalt im Blut der Sportler, er war kritisch erniedrigt. Die Athleten erhielten danach Infusionslösungen mit gut dem zehnfachen Natriumgehalt des physiologischen Wertes von 0,9 Prozent, um das Wasser im Gefäßsystem zu binden. Ähnliche Fälle von Hyponatriämie seien, zitiert Poettgen in seinem Bulletin das amerikanische Journal of Emergency Medicine, schon drei Tage lang auf Intensivstationen künstlich beatmet worden.

Zwei Fliegen mit einer Klappe
Zahlreiche Studien haben ergeben, dass ein Getränk mit einem geringen Salz- (ca. 1,2 bis 2g/l) und Zuckerzusatz (50 bis 100g/l) während sportlicher Belastung schneller vom Darm aufgenommen wird als reines Wasser. So kann gleichzeitig dem hohen Energiebedarf und der sensiblen Salzbalance Rechnung getragen werden. Rennarzt Maharam empfiehlt Marathonläufern außerdem, der Hyponatriämie durch eine etwas salzreichere „Henkersmahlzeit“ vor dem Rennen vorzubeugen und nur dann Wasser zu trinken, wenn ihnen das Gefühl sagt, dass sie es brauchen.

Mehr als 800 Milliliter pro Stunde sollten es unter gemäßigten Klimabedingungen nicht werden, rät Maharam seiner Marathonklientel – für sommerliche Triathlon- Hitzeschlachten lägen die Empfehlungen sicher etwas höher. Wenn der Körper aber während einer zwei- bis dreistündigen Belastungen in ein kleines Flüssigkeitsdefizit von einem oder zwei Litern gerät, ist das weniger gefährlich als eine Vergiftung mit Leitungswasser.

Etwas Schwund, seien wir ehrlich, gehört für Triathleten natürlich dazu. Eisenfrauen und -männer wissen übrigens – die gute, salzige Hühnerbrühe ist im Ziel eines Ironman oft das erste, worauf sie Lust verspüren.

 

Triathlonrennen bei großer Hitze Dr. Karlheinz Zeilberger 09 / 2010

Für Triathlonrennen bei großer Hitze, wie auf Hawaii oder Lanzarote, kursieren in der Szene jede Menge kluge Weisheiten und gute Ratschläge. Der Sportmediziner Dr. Karlheinz Zeilberger erläutert, was daran richtig – und wo besondere Vorsicht geboten ist.
„Zu viel trinken geht nicht, Überflüssiges wird über Schweißdrüsen und Nieren einfach ausgeschieden.“

Zeilberger: Dieses Statement ist gefährlich! Denn zu viel trinken kann – zumal, wenn es sich dabei um Wasser oder kochsalzarme Softdrinks handelt – zu einer Verschiebung der Salzkonzentration im Gewebe führen. Durch bestimmte osmotische Mechanismen kann dann vermehrt Wasser in die Zellen strömen, die dadurch anschwellen. Betrifft ein solches sogenanntes Ödem die Lunge oder das Gehirn, kann das lebensbedrohlich werden. Das Durstgefühl ist ein recht guter Maßstab, zudem sollten Sportler bei länger andauernden Rennen oder langen Trainingseinheiten in der Hitze schon während der Belastung regelmäßig etwas Kochsalz zuführen, das über den Schweiß verloren gegangen ist.

„Sportler sollten nicht mehr Flüssigkeit als zwei Prozent ihres Körpergewichts verlieren, sonst droht eine deutliche Leistungseinbuße.“

Auch das ist eine Faustformel, die mit Vorsicht zu genießen ist. Zwar gibt es individuell ebenso wie sportartbezogen erhebliche Unterschiede, aber ein Flüssigkeitsverlust zwischen zwei und fünf (oder mehr) Prozent des Körpergewichts bedeutet immer auch eine Eindickung des Bluts. Gerade im Ausdauersport steigt dadurch die Herzarbeit spürbar an, an einem gewissen Punkt wird dann auch die Sauerstoffversorgung der Arbeitsmuskulatur weniger effektiv, sie übersäuert, die Leistung sinkt.

„In den letzten Tagen vor einem zu erwartenden Hitzerennen sollte man so viel trinken, bis der Urin farblos ist.“

Ein ausgeglichener Flüssigkeits- und Salzhaushalt ist vor jedem Wettkampf, insbesondere aber vor einem zu erwartenden Hitzerennen, wichtig. Doch dieser Ratschlag ist wahrscheinlich des Guten ein bisschen zu viel: Ist der Urin nämlich völlig klar, die natürliche durch den Stoffwechsel bedingte Färbung also gar nicht mehr zu erkennen, besteht die Gefahr, dass durch den hohen Flüssigkeitsumsatz wichtige Salze ausgespült werden. Der Körper kann Flüssigkeit nur begrenzt speichern – entweder durch eine vermehrte Kochsalz-Zufuhr oder gebunden an Glykogen, dessen Speicher ja tatsächlich durch das Carboloading gut gefüllt sein dürften. Die beste Empfehlung lautet also wohl: Ein wenig über den Durst sollte man ruhig trinken, aber nicht mehr als einen halben bis einen Liter zusätzlich.

"Bei heißem Wetter steigt die Herzfrequenz um zehn Schläge, die man beim angestrebten Wettkampfpuls aufschlagen darf.“

Tatsächlich kann die Herzfrequenz durch die vermehrte Hautdurchblutung bei Hitze oder hoher Luftfeuchtigkeit um bis zu zehn Schläge ansteigen. Allerdings gilt dieser Aufschlag nicht über das gesamte Herzfrequenzspektrum in gleichem Maße und ist zum Beispiel im GA1-Bereich geringer als im aerob-anaeroben Übergang. Auch individuell gibt es erhebliche Unterschiede. Daher ist gerade, wenn man sich wie in einem Triathlonwettkampf an der Obergrenze seines Leistungsvermögens bewegt, die Faustformel „Hitze gleich zehn Schläge höhere Herzfrequenz“ nicht geeignet. Nur ein Feldtest mit verschiedenen Geschwindigkeiten unter identischen Witterungsbedingungen würde zeigen, bis zu welcher Herzfrequenz sich ein Sportler belasten kann.

„Natrium- und Magnesiummangel sind vor allem für Muskelkrämpfe verantwortlich.“

Für Muskelkrämpfe gibt es verschiedene Ursachen. Neben einer neuromuskulären Erschöpfung kommen in der Praxis an erster Stelle tatsächlich der Kochsalz-, also Natriumverlust sowie ein Mangel an Energie in Form von Glykogen in Frage. Erst in der Schlussphase oder im Ziel eines Langdistanzwettkampfs könnte auch ein Magnesiummangel Krämpfe auslösen. Das ist aber unwahrscheinlich, wenn die Magnesiumvorräte im Körper vor dem Rennen gut aufgefüllt waren. Deshalb sollte sich der Sportler im Wettkampf darauf konzentrieren, seinen Energie, Flüssigkeits- und Kochsalzhaushalt in Ordnung zu halten. Zusätzliche Magnesiumtabletten in der Radflasche sind überflüssig.

 

„Wer sich bei heißem Wetter zu hoch belastet, dem droht ein Hitzschlag.“

Normalerweise steuert das Gehirn mit seinem hochsensiblen Temperaturzentrum die Belastung recht sicher im gesundheitsverträglichen Bereich. Wenn der Körper zu überhitzen droht, wird die Muskelarbeit gedrosselt. Es gibt allerdings ein paar Faktoren, die diesen Regulationskreis außer Kraft setzen können: Gerade Triathleten zeichnen sich oft durch einen besonders starken Willen aus, der die eigenen Leistungsgrenzen außer Kraft setzt – manchmal auch in gefährlicher Weise. Zudem kann die Sonneneinstrahlung im Einzelfall auch so intensiv werden, dass die Leistungsregulation durch das Gehirn allein als Schutz vor der Überhitzung nicht mehr ausreicht.

„Wer in Hitze gute Wettkämpfe bestreiten will, muss auch in der Hitze trainieren.“

Tatsächlich lassen sich gerade längere Wettkämpfe wie ein Triathlon leichter bewältigen, wenn der Sportler Zeit hatte, sich an die Belastung unter Hitzebedingungen zu gewöhnen. In dieser Gewöhnungsphase lernt der Körper, seine Wärmeabgabe zu optimieren: Die feinen Blutgefäße in der Haut weiten sich früher, die Schweißproduktion startet schneller und die Konzentration darin gelöster Salze, sogenannter Elektrolyte, nimmt ab. Allerdings sollte man die Hitzebelastung im Training auch nicht übertreiben und dafür sorgen, dass die Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen vor dem Rennen vollständig wieder ausgeglichen sind.

„Lockere Kleidung ist besser als eng anliegende.“

Bezogen auf moderne Sport-Funktionsbekleidung stimmt das nicht unbedingt. Wenn die Ventilation unter der lockeren Bekleidung nicht ausreicht, um den Schweiß verdunsten zu lassen, wird er ablaufen und kann seine Funktion der Kühlung nicht erfüllen. Auch die eng anliegenden sogenannten Klima-Shirts, bei denen die Hersteller damit werben, dass sie die Feuchtigkeit sofort ableiten, verhindern, dass der Schweiß die Haut kühlt. Dagegen sind viele moderne Wettkampf-Bekleidungsstücke heute so konzipiert, dass das hauteng anliegende Kunstfasergewebe wie eine Vergrößerung der Hautoberfläche wirkt und die Verdunstungskühle mehr Wärme ableitet, als es die Haut allein könnte.

„Wer nicht ständig trinkt, kann sich überhitzen.“

Auch das stimmt nur bedingt, denn normalerweise veranlasst das Durstgefühl den Sportler, so viel zu trinken, dass seine Schweißproduktion und damit die Körperkühlung aufrechterhalten wird. Entsteht dagegen ein zu großer Flüssigkeitsmangel, wird der Körper zur Erhaltung lebenswichtiger Organfunktionen die Hautdurchblutung und Schweißproduktion irgendwann herunterfahren – und damit die Hitzeeinwirkung deutlicher spürbar werden lassen.

 

Isotonische, hypotonische und hypertonische Getränke

 

Portal