Fortsetzung: Herzfrequenzmesser
I
DAS HERZ
Viele Redewendungen aus
dem Volksmund deuten schon auf die Besonderheit des Herzorgans hin.
Das Herz hat natürlich vornehmlich die Aufgabe Blut in den Kreislauf
zu pumpen, jedoch werden seit jeher viele emotionale Dinge mit ihm verknüpft:
"Mir ist das Herz in die Hose gerutscht" oder "mir schlägt das
Herz bis zum Hals" sind Redewendungen, die Situationen beschreiben,
die auch jedem Läufer mit Sicherheit vom letzten wichtigen Wettkampf
in Erinnerung sind.
Bleiben wir aber
bei der Pumpaufgabe. Das Herz ist ein Hohlmuskel mit einem Volumen von
ca. 700 Millilitern und dafür zuständig, das sauerstoffreiche
Blut in den Körper zu pumpen sowie das "verbrauchte" Blut in die
Lunge zu pressen, damit dieses dort erneut Sauerstoff aufnehmen und
Stoffwechselendprodukte wie Kohlendioxid abgeben kann. Hierfür
ist das Herz in vier Kammern unterteilt und mit speziellen Einwegventilen
ausgerüstet, die den Blutstrom regeln.
Beide Herzteile,
der die Lunge und der den Körper versorgende, schlagen immer gleichzeitig.
Diese Anspannung verläuft ähnlich wie beim Skelettmuskel,
indem sich der Muskel zusammenzieht. Der Herzmuskel ist ein Hohlorgan,
das Zusammenziehen (Kontraktion) hat daher eine Volumenverringerung
zur Folge. Diesen Vorgang, durch den Blut in den großen Kreislauf
ausgeworfen wird, nennt man Systole. Die folgende Phase, in der sich
der Hohlmuskel entspannt und mit neuem Blut aufgefüllt wird, nennt
man Diastole.
Die Druckwellen,
die das Herz bei der Arbeitsphase durch das Auspressen des Blutes erzeugt,
kann man an vielen Stellen des Körpers tasten. Bekannte Punkte,
die man vor der Erfindung des Herzfrequenzmessers auch im Sport nutzte,
um den Puls zu fühlen, sind die Arterien (Schlagadern) am Handgelenk
(Radialispuls) und am Hals (Carotispuls).
Das Herz des untrainierten
Menschen kann mit etwa 70 bis über 200 Schlägen pro Minute
arbeiten. Frauen tendieren dabei zu höheren Frequenzen als Männer
und jüngere Menschen zu höheren Frequenzen als die älteren
Sportler.
SPORTLERHERZEN
Pro Minute müssen
in Ruhe fünf Liter Blut die Organe versorgen. Da pro Schlag ca.
70 ml ausgeworfen werden, sind 70 Schläge in der Minute erforderlich,
um diese Menge zu erreichen. Unter Belastung erreicht das Herz bei einem
doppelt so großen Auswurfvolumen eine Fördermenge von 25
l/min.
Diese ohnehin schon
beeindruckenden Werte sind durch körperliches Training deutlich
zu verändern. Das durch Ausdauertraining angepasste Sportlerherz
hat ein deutlich vergrößertes Volumen und eine deutlich erhöhte
Auswurfleistung. Bei Radsportlern wurden Herzvolumina von 1.300 Millilitern
gemessen. Da das Herz mehr Blut pro Schlag befördert, reicht es
aus, wenn solche Sportlerherzen in Ruhe mit 40 Schlägen pro Minute
und weniger arbeiten. Unter voller Belastung werden dann bei Frequenzen
um 200 S/min und erhöhtem Auswurfvolumen über 35 Liter Fördermenge
pro Minute erreicht!
Nun ist Ihnen schon
einiges über die Funktion des Herzens bekannt und Sie können
verstehen, wie Pulswerte gemessen werden und warum der Ruhepuls von
Jan Ullrich niedriger ist als bei den meisten von uns. Was wir aber
noch nicht geklärt haben, ist der spezielle Mechanismus des Messvorganges
bei den Pulsuhren, um die es geht.
Das Herz hat besondere
Muskelzellen, die in der Lage sind, eigenständig elektrische Impulse
zu erzeugen und den übrigen Herzmuskel elektrisch zu erregen. Beim
Gesunden liegt dieses Schrittmacherzentrum im Sinusknoten. Diese elektrischen
Spannungen sind zwar sehr klein (Millivoltbereich), mit modernen medizinischen
Geräten und seit einigen Jahren auch mit Herzfrequenzmessuhren
für den privaten Gebrauch jedoch gut an der Körperoberfläche
messbar. Wie beim Elektrokardiogramm (EKG) beim Arzt werden die Spannungsschwankungen
an der Brustkorboberfläche mittels Elektroden gemessen. Während
beim EKG in körperlicher Ruhe ein Kontaktspray oder Gel unter den
Elektroden notwendig ist, um eine gut leitende Verbindung herzustellen,
besorgt bei sportlicher Anstrengung der Schweiß diese Aufgabe
an den Elektroden der Brustgurte in idealer Weise. Die vom Sinusknoten
ausgehenden Erregungen werden also von den Elektroden im Brustgurt des
Gerätes registriert, um dann drahtlos an die Empfängeruhr
gesendet zu werden.
Wir messen also stets
die aktuelle Schlagfrequenz des Herzens, was ein entscheidender Vorteil
gegenüber der konventionellen Methode ist. Wenn man nämlich
erst anhält, um dann den Puls zu tasten und hierfür eine Weile
die richtige Stelle suchen muss, um dann noch eine halbe Minute zu zählen,
so hat sich diese Größe oftmals schon um bis zu 10 S/min
geändert und das Training müsste permanent unterbrochen werden.
Die Regelgröße
Herzfrequenz ist ein recht genauer Parameter der aktuellen Belastung.
Je mehr ich mich anstrenge, umso schneller schlägt mein Herz -
soviel ist klar. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Herzfrequenz immer
etwas verzögert auf Belastung reagiert. Wenn man einen kurzen Berg
hoch läuft, erreicht man den maximalen Puls mitunter erst dann,
wenn es eigentlich schon wieder bergab geht. Begründung für
dieses Phänomen ist, dass die Erhöhung der Herzfrequenz durch
zahlreiche Faktoren indirekt beeinflusst wird, zum Beispiel durch die
Ansäuerung des Blutes durch Milchsäure. Bis diese Werte angestiegen
sind, vergeht etwas Zeit und manchmal ist die Belastung dann schon wieder
geringer.
Es gibt aber neben
der Intensität zahlreiche weitere Faktoren, die die Pulsfrequenz
beeinflussen. So führt starke Hitze (der Saunabesuch diene hier
als Beispiel) zu einem Anstieg der Herzfrequenz von durchaus 10-20 S/min.
Dehydrierung (Austrocknung des Körpers) verursacht je nach Ausmaß
ähnliche Frequenzanstiege.
Bei stärker
werdender Ermüdung steigt ebenfalls der Puls. Wird also eine Trainingseinheit
für eine gewisse Dauer mit exakt gleichem Tempo gelaufen, so ist
der Puls am Ende auf einem höheren Niveau als zu Beginn.
Eine weitere, extrem
wichtige Reaktion des Pulses macht man sich in der Trainingssteuerung
ebenfalls zunutze: Der Ruhepuls (morgens im Bett gemessen) ändert
seine Höhe bei zu starker Erschöpfung und beginnenden Infekten
(pro Grad Temperaturerhöhung um ca. 10 Schläge, stark fiebernde
Kranke haben einen Puls, der in Ruhe bei über 90 S/min liegen kann).
Steigt er um mehr als acht Schläge über den gewohnten Wert,
so ist eine Reduktion des Trainingsumfanges oder im Zweifelsfalle ein
komplettes Pausieren angezeigt.
TRAININGSZONEN IN DER
PRAXIS
Aus dem oben Gesagten folgt,
dass die Herzfrequenz ein leicht zu messender, verlässlicher Wert
für die tägliche Trainingssteuerung ist. Es gilt dabei verschiedene
Pulsbereiche für unterschiedliche Trainingsziele zu nutzen (z.B.
120-145 S/min zur Entwicklung der Grundlagenausdauer). Die eigentliche
Schwierigkeit bei der Nutzung der Herzfrequenz-Messung ist das Auffinden
der richtigen Bereiche, weniger deren Messung.
Viele Sportler trainieren
mit Pulsuhren ohne überhaupt etwas über ihre Trainingsbereiche
zu wissen, in denen sie trainieren sollten, oder aber sie nehmen die
Trainingsbereiche des Laufkollegen, der "mal einen Leistungstest gemacht"
hat. Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind vielfältig und
resultieren aus Über- oder Unterbelastungen, da diese Bereiche
sehr individuell sind.
Triathlet
Mark Allen
Die so genannten
Trainingsbereiche werden von den Trainingswissenschaftlern in einen
aeroben Bereich, einen aerob-anaeroben Übergangsbereich sowie einen
anaeroben Bereich eingeteilt. Die Bezeichnungen aerob und anaerob beziehen
sich auf die Sauerstoffversorgungslage des Organismus. Aerob bedeutet,
dass genügend Sauerstoff vorhanden ist, wohingegen bei anaerober
Stoffwechsellage zu wenig Sauerstoff zur Verfügung steht, um den
Bedarf zu decken. Bei steigender Belastung steigt aufgrund des Sauerstoffmangels
der Laktatspiegel im Blut und parallel dazu die Herzfrequenz an.
Über die Herzfrequenz
erfahren wir also indirekt etwas über die Stoffwechsellage
unseres Körpers. Jedoch verhalten sich diese Kurven bei allen Menschen
unterschiedlich. Während ein Puls von 160 S/min bei einigen Sportlern
schon einen hohen Laktatwert von 7 mmol/l bedeuten kann, wird er bei
anderen mit einem Laktatwert im aeroben Bereich einhergehen.
LABOR ODER TASCHENRECHNER?
Also keine Trainingssteuerung
mit Herzfrequenz ohne vorherige
Laktatwertbestimmung
und aufwendige Leistungsdiagnostik? Mitnichten. In umfangreichen Studien
hat man zahlreiche Methoden, Mittelwerte und Tabellenwerke erstellt,
um die Trainingsbereiche auch ohne Laktatwertbestimmung an der Herzfrequenz
ablesen zu können. Eine kleine Auswahl praktikabler Methoden sei
hier zusammengefasst.
Eine der einfachsten
und auch genausten Methoden (abgesehen von aufwendigeren Testverfahren
im Labor) stellt die Ermittlung der maximalen Herzfrequenz (Hfmax) dar.
Dieser unter maximaler Anstrengung erreichte Puls (je nach Alter, Geschlecht
und genetischen Faktoren zwischen 170 und über 220 S/min) kann
als Basiswert für die rechnerische Ermittlung der Trainingsbereiche
dienen. So wird ein regeneratives Training und Fettstoffwechseltraining
mit weniger als 65 %, ein Grundlagenausdauertraining mit 65-85 % und
ein aerob-anaerobes Übergangstraining bei 85-95 % der Hfmax absolviert.
Der Spitzenbereich für Kurzzeitbelastungen liegt bei mehr als 95
% der Hfmax.
Leider ist es nicht
für jedermann möglich oder sinnvoll, die maximale Herzfrequenz
in einem Leistungstest zu ermitteln, da dies die vollständige körperliche
Gesundheit, insbesondere das Herz betreffend, voraussetzt. In diesem
Falle kann man sich der angesprochenen Tabellenwerke bedienen. Diese
sind nach Mittelwerten berechnet und lassen somit ebenfalls Aussagen
zu. Sehr grob angenähert stellt die Formel "Maximale Herzfrequenz
= 220 - Lebensalter" eine Regel zur Berechnung der Hfmax dar, von der
dann wiederum Trainingsbereiche prozentual abgeleitet werden können.
Diese Zahl ist jedoch stets auf den Durchschnitt einer Altersgruppe
bezogen und kann im individuellen Fall deutlich vom tatsächlichen
Maximalpuls abweichen. So gibt es auch 50-Jährige mit einer Hfmax
von 200 S/min (nach der Faustregel wären 170 zu veranschlagen)
sowie 25-Jährige mit einer Hfmax von 180 S/min (nach der Faustregel
wären 195 zu erwarten), die dann in völlig verkehrten Bereichen
trainieren würden. Zugegebenermaßen sind diese extremen Abweichungen
eher die Ausnahme - aber wer eben nicht im Bereich des Herzfrequenz-Durchschnitts
liegt, kann hier Probleme bekommen, entweder in Form einer ständigen
Überlastung oder einer ständigen Unterforderung. Oftmals weiß
der Betroffene auch gar nichts davon.
Bei der Herzfrequenz
handelt es sich also um eine sehr individuelle Größe, die
nicht genau anhand äußerer Faktoren wie Alter und Geschlecht
bestimmt werden kann. Die individuelle Komponente und somit die Genetik
spielen eine entscheidende Rolle. Nichtsdestotrotz hat diese Methode
ihre Berechtigung und wird im Breitensport oft angewandt.
Für ein reines
Gesundheitstraining besteht ferner die Möglichkeit, mit einem Puls
von "180 - Lebensalter" zu trainieren. Von den eben erläuterten
Problemen der Faustregelmethoden abgesehen handelt es sich bei dieser
gerne von Ärzten an Gesundheitssportler weitergegebenen Empfehlung
mit Sicherheit um einen akzeptablen und einfachen Weg der Belastungssteuerung.
Für den ambitionierten Sportler ist die Methode jedoch kaum anwendbar,
da die Abgrenzung verschiedener Trainingsbereiche nicht vorgenommen
wird.
Für den Freizeitsportler
wird unter den oben genannten Methoden sicherlich eine Möglichkeit
dabei sein, die seinem Leistungsstand und Trainingsziel entspricht und
die ohne größeren Aufwand anwendbar ist. Weitere Testverfahren,
wie z.B. der Conconi-Test oder aufwendigere Leistungsdiagnostiken mit
der Messung der Sauerstoffaufnahmekapazität, würden hier zu
weit führen und bleiben sicherlich auch ambitionierteren Sportlern
und Leistungssportlern vorbehalten.
Gerade für Laufanfänger,
die noch kein ausreichendes Gefühl für Belastungsintensitäten
haben, ist die Herzfrequenzmessung somit das Mittel der Wahl zur Trainingsüberwachung.
Eine permanente Kontrolle der Belastungsintensität ermöglicht
es, neben dem Training im richtigen Intensitätsbereich auch den
eigenen Körper langsam aber sicher kennen zu lernen, da man ein
permanentes Feedback über die eigenen Körperfunktionen hat.
Herzfrequenzmessungen im Trainingsalltag sind heutzutage alles andere
als eine technische Spielerei.
Jedoch bleibt einzuräumen, dass
ein lustbetonter Freizeitsportler, der seit Jahren Sport treibt und
so über ein entsprechendes Belastungsgefühl verfügt,
für seinen Sonntagmorgenlauf auch getrost auf eine Pulsuhr verzichten
kann. Solche Trainingsläufe können mit Sicherheit auch in
Zukunft nach Gefühl und Befinden ohne ständigen Blick auf
die Pulsuhr durchgeführt werden. Wer sich außerdem nie mit
seinen individuellen Trainingsbereichen beschäftigt hat und nach
"irgendwelchen" Pulsvorgaben läuft, käme ohne Uhr wahrscheinlich
besser zurecht. Denn sich an falschen Werten zu orientieren ist mit
Sicherheit schlechter für die Gesundheit als auf sein Gefühl
zu hören.
Wie
trainiere ich richtig nach Puls?
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