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Staffel - Ärmelkanalschwimmen 19. Juli 2010 mit Christian Binner (Berliner TSC)

Die Idee

Nachdem ich 15 Langdistanzen im Triathlon (unter anderem Neuseeland und Südafrika), einiges an Marathons, den Trans-Swiss-Triathlon (Durchquerung der Schweiz vom Süden zum Norden incl. altem Gotthardpass) und die doppelte Langdistanz Triathlon in Moosburg, Österreich absolviert hatte, suchte ich nach einer neuen Herausforderung. Da ich nirgendwo mit guten Zeiten aufwarten kann, die Siegerpodeste eigentlich überall unerreichbar sind, fing ich 2007 an, an einigen Langstreckenschwimmen im Freiwasser teilzunehmen. Diese Wettkämpfe gefielen mir gut, obwohl ich auch hier relativ weit hinten landete und mich vor allem die Kinder beeindruckten, die da teilweise antraten und weit vor mir im Ziel waren. Irgendwann stieß ich im Internet auf die Colorado Open Water Swimmers – USA, die 2007 als bisher jüngste Staffel (alle 12 + 13 Jahre alt) das Kanalschwimmen in unter 10 Stunden beendet haben. In diesem Jahr 2010 versucht das BEST (Bristol English Channel Swim Team) diesen Rekord zu brechen. Alle Schwimmer dieser Staffel werden zum Schwimmzeitraum (beginnt am 17. August 2010) gerade kurz vorher ihren 12. Geburtstag gefeiert haben.

Beginn der Umsetzung der Idee

Wenn solche Kids das können, warum nicht auch ich? Ich sprach einige Leute in meinem Verein ASV Duisburg (Ausdauersportverein) an, denen ich das zutraute, aber spätestens nach Nennung der wichtigsten Fakten: 16 bis 18 °C Wassertemperatur, Entfernung zwischen 32 und 40 km zu schwimmen und das alles in „Standard-Swimming-Costume“, was nichts anderes bedeutete, als dass man nur in Badehose bzw. Badeanzug schwimmen darf. Nachdem ich in meinem Verein keine Mitschwimmer gefunden hatte, überlegte ich, wie ich Mitschwimmer bekommen kann und stieß im Internet auf ein Forum, in dem ich dann am 25.08.2008 (dieses Datum sehe ich jetzt mal als das Startdatum unseres Unternehmens „Kanalschwimmen“ an) folgenden Eintrag vornahm:

Teilnehmer für Kanalschwimmstaffel gesucht
Ich würde gerne eine 6-Personen-Staffel für das Kanalschwimmen von England nach Frankreich zusammenstellen. Dabei müsste jeder Staffelteilnehmer eine Stunde im Badeanzug/Badehose im etwa 16 - 18 ° warmen/kalten Wasser schwimmen, bevor er abgelöst wird. Viele Staffeln schaffen das in 12 Stunden, die schlechteren in 18 Stunden. Im letzteren Fall würde also jeder 3 mal 1 Stunde schwimmen. Ich würde natürlich selbst mitschwimmen und bin kein guter Schwimmer. Bei meinen Ironman 3,8 km Schwimmen im Neo habe ich immer so 1:15 Std. bis 1:30 Std. gebraucht. Schwimme seit letztem Jahr öfters bei Freiwasserwettkämpfen und brauch da so in Badehose für 2,5 km zwischen 50 und 60 Minuten. Die ganze Angelegenheit ist leider nicht ganz billig: Man muss ein Begleitboot mit Pilot mieten - dazu kommen noch Anreise- und Übernachtungskosten.
Würde mich freuen, wenn sich ein paar Interessenten melden würden. Ich selber wohne im westlichen Ruhrgebiet.

Innerhalb weniger Tage meldeten sich da einige Personen, unter anderem Claudia Markwardt, Anke Höhne, Peter Wortelker und Christian Binner. Letzterer schrieb gleich, dass er 5 km unter 1:10 h schwimmt. Aber das wollte ich gerade nicht, dass sich da welche melden, die schon klasse Zeiten schwimmen und damit sicherlich den Anspruch haben, dann bei der Staffel auch eine gute Zeit zu erzielen. Durch die Angabe meiner bescheidenen Schwimmzeiten hoffte ich, dass sich solche Klasseschwimmer nicht melden würden. So langsam verließen wir aber unsere Absprachen im Forum vorzunehmen, tauschten unsere E-Mailadressen aus und da fragte ich bei Christian ganz konkret nach, ob er dann auch eine gute Zeit im Kanal erwartet. Er versicherte mir, dass er mit meiner Schwimmgeschwindigkeit kein Problem hätte und er würde Anke und Karl (ach so Peter Wortelker möchte immer nur Karl genannt werden) kennen und die wären etwa so schnell wie ich selber und bei Claudia sprach er davon, dass die sogar langsamer wäre.
In der Zwischenzeit hatte ich nach den Namen der Interessenten gegoogelt, um ein wenig mehr über diese herauszufinden. Claudia hatte die Beltquerung in 10:22 Std. gemacht (Puttgarden nach Rodby, etwa 25 km zu schwimmen), Anke und Karl das Bosporusschwimmen (in Istanbul von Asien nach Europa, 7,1 km) und alle tauchten in etlichen Ergebnislisten von Langstreckenschwimmen im Freiwasser auf. Irgendwann schlug jemand vor, um uns mal persönlich kennenzulernen, doch nach Clausthal-Zellerfeld (Harz) zum 24-Stunden-Schwimmen zu kommen. Tatsächlich kamen alle bisherigen 5 Interessenten aus Hamburg (Anke und Karl), Berlin (Christian), Karlsruhe (Claudia) und ich aus dem Ruhrgebiet dort zusammen.

Die Idee wird konkreter

Anke bot sich vor Claustal an, mal die Piloten einiger Beiboote anzuschreiben, um ein Boot für 2009 zu bekommen, obwohl wir nur eine Woche anbieten konnten, an denen wir alle nach Abklärung unserer Termine konnten. Als erstes antwortete Eddy Spelling, der uns zu diesem Zeitraum einen Slot Nr. 3 anbot.
Zunächst wussten wir gar nicht, was Slot Nr. 3 bedeutet, aber langsam fanden wir heraus, was das ist: Jeder Pilot vergibt für sein Boot Slots von 1 bis 3, 4 oder 5. Wenn in dem entsprechendem Slotzeitraum (etwa 8 bis 10 Tage) geschwommen werden kann (abhängig von der Wettervorhersage bzgl. Wind, Unwetterwarnungen und ähnlichem), ist als erstes der Slot Nr. 1 an der Reihe und am nächsten schwimmbarem Tag eben Nr. 2 und sofort. Da es aber offensichtlich immer wieder Tage gibt, an denen nicht geschwommen werden kann, sahen wir die Chance mit Nr. 3 zum Zuge zu kommen, als nicht sicher genug an. Man muss immerhin etwas über 1.000 engl. Pfund für das Beiboot bezahlen, auch wenn man es gar nicht benutzen darf, weil das Wetter das nicht zulässt. Anreise- und Übernachtungskosten fallen natürlich auch an. Andere Angebote außer Eddy’s Nr. 3 bekamen wir nicht. So entschieden wir in Clausthal, das für 2009 sein zu lassen, zumal der Nachwuchs von Anke und Karl dann gerade mal etwas über 1 Jahr alt sein würde. Nun erklärte Harald sich bereit, alle zugelassenen Piloten anzumailen. Als erstes antwortete Eddy Spelling, der uns für den Zeitraum 19. - 27. Juli 2010 einen Slot Nr. 1 anbot. Schnell wurde per Mail abgesprochen, diesen Slot anzunehmen. Slots werden aber nur reserviert, wenn eine Anzahlung von 250 engl. Pfund sofort geleistet wird. Per Umlageverfahren (kurz nach Clausthal-Zellerfeld war Bruno Dobelmann noch zu uns gestoßen, so dass wir die gewünschten 6 Schwimmer zusammen hatten) wurde dieser Betrag Eddy zugestellt, so dass wir seit November 2008 wussten, wann es für uns ernst wird.

Suche nach Ersatzschwimmern

Da uns klar war, dass in diesem langen Zeitraum immer mal jemand ausfallen kann, diskutierten wir (eigentlich alles per E-Mail) immer wieder über Ersatzschwimmer. Da diese Person oder sogar Personen ja eigentlich genauso dafür trainieren müssen, aber unter Umständen gar nicht zum Einsatz kommen werden, wollten wir es diesen wenigstens finanziell attraktiv machen. Anfänglich war Margit B. dafür im Gespräch, sie hatte vor ein paar Jahren ein ähnliches Unternehmen bereits absolviert, aber als es konkreter wurde, hat sie abgewunken.
Nun trat Bruno in Aktion und meldete uns Interessenten und schrieb dann noch, dass er alles für diese Personen bezahlen würde. Anja S. und Beatrix H. ließen sich wie wir alle anderen ärztlich untersuchen und Beatrix nahm auch am 2-Stunden-Kaltwasserschwimmen teil, was sie aber wegen Unterkühlung abbrechen musste. Da Beatrix das auch nicht noch mal versuchen wollte und Anja ebenfalls ausfiel (an die Gründe an ich mich leider nicht mehr erinnern), hatten wir doch keinen Ersatzschwimmer. Nach dem Ausfall von Claudia Markwardt (dazu komme ich noch später in meinem Bericht), wollten wir natürlich nicht zu fünft starten. Anke traf bei einer Veranstaltung Matthias K. (der hatte in diesem Jahr bereits ein Langstreckenschwimmen über mehr als 20 km absolviert), der sich spontan bereit erklärte, mitzumachen. Jedoch schränkte er ein, dass das nur klappt, wenn er das mit seinem Urlaub hinbekommt. Da inzwischen eigentlich alle Fristen für Änderungen/Nachmeldungen gegenüber der Kanalvereinigung abgelaufen waren, schrieb ich Sekretär Mike Oram an, der dann antwortete, dass eine Nachmeldung innerhalb der nächsten Tage möglich wäre. Innerhalb dieser Frist müsste aber auch die ärztliche Bestätigung vorliegen. Wir gingen natürlich davon aus, dass Matthias das ja bereits für sein anderes Unternehmen brauchte, so dass das wohl nur auf das Formular der Kanalvereinigung übertragen werden muss.
Nun meldete sich aber Matthias und teilte mit, dass das mit seinem Urlaub nicht klappt. Auf seine Frage „schafft ihr es denn ohne mich nicht“ wurde entschieden, es nun wirklich mit 5 Leuten zu machen.

Ärztliche Bescheinigung

Wie eigentlich bei allen Sachen, ist vorgeschrieben, bis wann was abgegeben werden muss, Zahlungen erfolgt sein müssen usw.. So gab es auch eine Deadline für die Abgabe des ärztlichen Attests (auf Formular der Kanalvereinigung und in Englisch). Christian teilte dann mit, dass die Berliner Ärzte eine Anweisung bekommen haben, solche Bescheinigungen nicht mehr auszustellen. Letztendlich fand er dann doch einen Arzt, der das machte. Interessant war, dass eigentlich jeder untersuchende Arzt etwas anderes untersuchte und auch die Kosten für dieses Attest waren höchst unterschiedlich. Irgendwann lagen alle Atteste vor, nur das von Claudia nicht. Auf meine Nachfrage kam die Antwort, dass sie das vergessen hat, jetzt aber einige Tage in Holland ist und dort einen Arzt dafür suchen würde? Kurz vor Abgabeschluss kam dann das Attest unterschrieben von einem Arzt aus Heidelberg (einer der Unistandorte von Claudia).

Zwei-Stunden-Kaltwasserschwimmen

Es ist vorgeschrieben, dass alle Staffelteilnehmer 2 Stunden Schwimmen in Wasser mit 16 °C oder weniger nach den Kanalvereinigungsregeln (also nur in Badehose bzw. Badeanzug) nachweisen müssen. Auf meine Nachfrage, ob das von einer „offiziellen Stelle“ bestätigt werden muss, bekam ich als Antwort, dass ich das als Teamchef für meine Staffelkollegen machen soll, also auch für mich selber. So ungefähr Mitte Mai dieses Jahres begannen wir alle je nach Wassertemperatur und vorhandenen Möglichkeiten im kalten Wasser zu schwimmen. Ich selber suchte mir ein Stück der Ruhr aus, wo ich bei gemessenen 14 °C Ende Mai eine Viertelstunde im Wasser verbrachte. Als dann im Wasser bereits das Zittern losging, verließ ich das Wasser und fror in der kalten Umgebungstemperatur natürlich noch mehr. So steigerte ich dann meine Verweilzeiten im Wasser – jedoch steigerten sich die Wassertemperaturen dann eigentlich für mein Vorhaben viel zu schnell, so dass ich so in 16 °C gar nicht trainieren konnte, weil aufgrund des jetzt sehr warmen Wetters die Temperatur gleich auf etwa 18 °C stieg.
Ähnliches berichteten auch die anderen, aber alle suchten den möglichst kalten See, Freibad oder ähnliches.
Bruno hatte die Wasserwacht Immenstadt angesprochen, wo er dann zusammen mit Beatrix Heinrich (die zu diesem Zeitpunkt als Ersatzschwimmerin in unserem Team war) das Kaltwasserschwimmen anging. Bruno hatte damit keine Probleme, Beatrix wurde jedoch nach 50 Minuten aus dem See völlig unterkühlt herausgeholt. Auch nach über einer Stunde war sie noch am Zittern und Bibbern. Claudia teilte mir mit, dass sie bei 10 °C (Schlodder, schlodder) die vorgeschriebenen 2 Stunden absolviert hat. Die anderen (inklusive meiner Person) sind nah an die Bedingungen gekommen, so dass ich dann der Kanalvereinigung mitteilte, dass das jetzt alle gemacht haben.

Ausfall von Claudia

Irgendwann im Mai/Juni 2010 teilte uns Bruno mit, dass Claudias Mutter bei ihm angerufen hat. Claudia würde im Krankenhaus liegen und es wäre sehr fraglich, dass sie im Kanal starten könnte. Da Claudia weder über Mail oder Telefon/Handy erreichbar war, mussten wir uns auf die Aussagen ihrer Mutter verlassen. Ohne konkret zu wissen, was mit Claudia ist, mussten wir die Entscheidung treffen, Claudia aus dem Team herauszunehmen und nach der erfolglosen Suche nach einem Ersatzschwimmer uns darauf einstellen, das Unternehmen mit fünfen zu Ende zu führen.

Letzte Vorbereitungen und Anreise nach Dover

Nach Absprache verschiedener Sachen, die wir nur wenige Male im gesamten Team benötigen und nicht jeder mitbringen muss (Beispiel: Knicklichter – diese sind vorgeschrieben, wenn jemand in der Dunkelheit schwimmt), reisten alle Freitag nach Duisburg an, was für alle etwa die Hälfte des Anreiseweges bedeutete (nur ich selber wohne ja praktisch dort), fuhr man Samstagmorgen mit 2 Autos weiter nach Calais, um die Fähre nach Dover zu nehmen. Die Anreise klappte sehr gut, es gab nur zweimal eine kleine Stockung auf der Reise, so dass man fast 2 Stunden zu früh im Fährhafen ankam. Auf der Überfahrt mit der Seafrance-Fähre betrachtete man natürlich den Wellengang, der aber eigentlich je weiter man fuhr, immer heftiger wurde. Würde unser Pilot bei so einem Wetter auch rausfahren? Nach Ankunft in Dover bezogen wir unser Bed & Breakfast-Haus. Margit B. hatte uns dieses Haus empfohlen, da sie dort 2007 anlässlich ihrer eigenen Ärmelüberquerung mehrmals war, um dafür zu trainieren. Dann erledigte ich die beiden vorgeschriebenen Anrufe bei unserem Piloten Eddy Spelling und dem Sekretär der Kanalvereinigung Mike Oram, um uns „Ready to swim“ zu melden. Eddy teilte mir mit, dass wir uns für Montagmorgen um 4 Uhr bereithalten sollten und aus jetziger Sicht wir dann starten würden.

Der Tag vor unserem Schwimmen

Die Wahrscheinlichkeit war also groß, dass wir tatsächlich am ersten Tag unseres Slots schwimmen dürfen. So verbrachten wir den Sonntag damit, uns mit Lebensmitteln, Getränken usw. zu versorgen, denn wir würden ja etwa 18 bis 20 Stunden auf der Nordsee sein (irgendwie hatte sich so als Hoffnung die 15 Stunden herausgestellt, die wir wohl brauchen würden und damit wäre jeder 3 Mal dran gewesen). Außerdem mussten wir uns ja ortskundig machen und fragten uns am Hafen durch, wo wir denn überhaupt am nächsten Morgen hin müssten. Letztendlich landeten wir im Hafenbüro, wo man uns mitteilte, dass der Treffpunkt der Kanalschwimmen genau an ihrem Gebäude wäre. Außerdem würde man bei ihnen einen besonderen Parkausweis für das Auto bekommen, da alle Parkplätze in der Umgebung ansonsten eine max. Parkzeit von 12 Stunden hatten. Eine Freundin von Anke, die inzwischen in England lebt, war extra angereist und teilte uns mit, dass morgens um 9 Uhr sich die Kanalschwimmer treffen würden, um im Kanalbecken zu trainieren. Wir begaben uns etwa um 10 Uhr dorthin nach dem Motto „Die werden ja nicht dann schon alle wieder weg sein“. Nun, ich hätte dann vielleicht 10 Schwimmer erwartet, aber es waren etwa 50 Schwimmer im Wasser und einige noch am Steinstrand, die entweder gerade aus dem Wasser kamen oder gleich rein gehen wollten. Wir selber zogen unsere Sachen dann auch aus, um das Wasser anzutesten. Na ja, kalt war es ja, aber irgendwie aushaltbar. Ich selber schwamm 45 Minuten ohne jetzt ein sonderliches Kälteempfinden zu haben. Die anderen machten ähnliche Erfahrungen, so dass dieses Training die Stimmung im Team zumindest nicht verschlechterte.

Die Nacht vor dem Schwimmen

Es ist wiederum vorgeschrieben, dass man sich täglich gegen 19.30 Uhr bei seinem Piloten meldet, um die letzten Updates zu erhalten. Bei diesem Anruf teilte mir Eddy mit, dass wir schon um 3.30 Uhr am Hafenbüro sein sollen. Na ja, auf die eine halbe Stunde kommt es dann auch nicht mehr an. Es ging relativ zeitig auf die Zimmer bzw. Betten – ich jedoch fand einfach keinen Schlaf, immer wieder ging ich gedanklich die ganze Geschichte unseres Unternehmens durch. Schließlich nahm ich meinen Ordner und blätterte da noch mal durch. Dabei fiel mir ein Blatt in die Hand und dabei fiel mir auf, dass wohl unser Pilot Eddy noch 1.000 Pfund bekommt, nämlich dann, wenn er mit uns wirklich rausfährt. Das war mir völlig durchgegangen – Eddy hatte das auch in den letzten Mails nicht erwähnt oder in den beiden Telefonaten angesprochen. Auch meinen Mitschwimmern war das nicht aufgefallen. Das Geld muss dann wohl nach Rückkehr ihm überwiesen werden.

Am frühen Morgen

Alle waren frühzeitig fertig und es ging zum Hafen. Dort angekommen, war richtig was los – letztendlich stellte sich heraus, dass alle 7 zugelassenen Beiboote rausgefahren waren und somit an diesem einem Steg alle einsteigen sollten. Da Eddy bzw. sein Boot Anastasia nicht zu sehen war, rief ich ihn an.
Ja, er kommt jetzt sofort und das stimmte auch. In der Zwischenzeit sprach uns jemand an, ob wir mit Eddy fahren würden. Er stellte sich dann als unser Observer (Beobachter der Kanalvereinigung) Nick vor.
Wir packten dann unsere Sachen auf das Schiff (man hätte meinen können, dass wir umziehen wollen).
Auf dem Boot waren 3 Personen – alle mit Sweatshirts bekleidet, auf denen der Name des Schiffes stand. Der älteste von diesen 3 stellte sich als Eddy vor. Kurz darauf sprach er mich an, wo denn die 1.000 Pfund wären, die er ja jetzt bekommen würde. Ich sagte ihm dann, dass er das natürlich nach unserer Fahrt überwiesen bekommt – wenn er das jetzt haben wollte, hätte ich das natürlich nicht dabei und dann hätte er das vorher ja mal sagen oder schreiben können. Schließlich bot ich ihm meine Kreditkarte an, dass er die irgendwie belasten könnte. Er sprang vom Boot auf den Steg, sprach mit 2 anderen Personen, kam zurück und sagte, das ginge wohl klar.
Nun fuhren wir los zum Shakespeare-Beach, wo unser Schwimmen losgehen sollte.

Es wird ernst

Der Observer Nick gab uns ein Blatt, in das wir die Reihenfolge unserer Schwimmer eintragen sollten. Die Reihenfolge hatten wir folgendermaßen festgelegt: Beginnen sollte Bruno Dobelmann, da er offensichtlich unser kältererprobtesteter war, denn es war zu erwarten, dass jetzt um diese Zeit das Wasser wohl am kältesten sein würde. Danach sollte Christian Binner, unser absolut schnellster Schwimmen weitermachen, den ich dann ablösen sollte und zum Schluss schwammen dann Anke und Karl. Eddy hatte sein Boot in die Nähe des Strandes gefahren. Der Observer erklärte uns dann, dass Bruno wegen der Dunkelheit Knicklichter tragen müsste und er jetzt hier ins Wasser springen soll, zum Strand schwimmen und sich dort hinstellen, ohne Kontakt mit Wasser zu haben.
Wenn er dann fertig wäre, solle er ein Zeichen geben, was der Observer vormachte, warten und wenn der Observer das gleiche Zeichen macht, dürfte er losschwimmen.

Es geht gar nicht gut los

Bruno springt ins Wasser und schreit: OHHH, ist das kalt! Wir anderen Schwimmer erleiden einen Schock „Wenn der das schon sagt“ und die Besatzung des Bootes incl. Observer rollen sich ab vor Lachen. Schließlich steht Bruno am Strand, steht aber noch etwa bis zu den Knien im Wasser. Er macht das vereinbarte Zeichen und schwimmt gleich los. Der Observer ruft „This is incorrect“ und wir schreien „Bruno, Bruno“. Er hört uns, stellt sich noch mal im Wasser hin und versteht unser Rufen, dass er zurück und ganz aus dem Wasser muss. Nun klappt es und Bruno schwimmt auf unser Boot zu. Beim Vorbeischwimmen ruft er uns zu „Schmiert euch ein, ist kalt“.
Schock Nr. 2 für uns. Bruno schwimmt und schwimmt irgendwie seinen eigenen Kurs. Der Observer hatte erklärt, dass der Schwimmer so etwa 2 bis 3 Meter neben dem Boot herschwimmen soll. Bruno schwimmt aber zum Teil 10 oder 15 Meter neben dem Boot her – auch auf unser Rufen ändert er das nur geringfügig ab. Zugegeben: ganz so genau hatte ich das bei der Erklärung auch nicht verstanden und hätte das vielleicht ähnlich gemacht.
Schließlich neigte sich die Stunde zum Ende und unser erster Wechsel stand an. Dazu sollte der nächste Schwimmer, in diesem Fall Christian, auf das Kommando des Observers ins Wasser springen und von hinten an dem bisherigen Schwimmer vorbeischwimmen. Wir rufen Bruno zu, dass der Wechsel in 2 Minuten sein soll – Bruno versteht wohl nur „Wechsel“ und schwimmt geradeaus auf das Boot zu. Kurz bevor er das Boot erreicht, sagt der Observer, dass Christian ins Wasser springen soll. War dieser Wechsel wirklich korrekt? Der Observer sagt nichts und außerdem hat Bruno das Boot noch nicht berührt, bevor Christian schon hinter ihm im Wasser war.

Mein erster Einsatz

Christian ist im Wasser und erhöht gleich das Tempo. Die Bootsbesatzung ist beeindruckt, ich nehme dem aber gleich den Wind aus den Segeln, in dem ich sage, dass er unser schnellster Schwimmer ist und alle anderen Schwimmer etwa das Tempo unseres ersten Schwimmers Bruno schwimmen. So langsam muss ich mich fertigmachen, denn ich bin ja als Dritter dran. Mein Wechsel mit Christian klappt – wir wissen jetzt wie es geht!
Nach den beiden Aussagen von Bruno hatte ich jetzt das Wasser kälter erwartet. Ich schwamm, hatte aber das Gefühl, das fast wie ein Roboter zu machen. Ein Arm nach nach dem anderen nach vorne. Orientierung ist kein Thema, das Boot neben einem (inzwischen wussten wir ja, das wir unmittelbar neben dem Boot schwimmen sollten) war mit 14 m Länge riesengroß und nicht zu übersehen. Irgendwann begann ich natürlich darüber nachzudenken, wann der Wechsel ist, aber das zog sich schon ganz schön hin. Plötzlich sehe ich, wie ein Daumen als Zeichen für Wechsel in einer Minute angezeigt wird und dass Anke in ihrem Badeanzug auf Deck steht. Kurz darauf springt sie ins Wasser und ich darf über die Leiter ins Boot klettern. Ich trockne mich schnell ab, mümmel mich in mehrere Lagen Kleidung und begebe mich unter Deck und krieche in einen Schlafsack und in die Koje.
Da ich ja die Nacht nicht geschlafen hatte, wollte ich das jetzt ein wenig nachholen. Kurz nachdem ich mich hingelegt hatte, beginnen meine Zähne an zu klappern. Das hört gar nicht mehr auf und hält sage und schreibe eine halbe Stunde an. Zwischendurch kommt Christian und erkundigt sich nach meinem Befinden. Nachdem er mein Zähneklappern bemerkt, meint er: „Das geht vorbei, ich hab das eine Dreiviertelstunde gehabt“. Naja, baut schon wieder auf, war ja bei mir immerhin eine Viertelstunde kürzer als bei Christian. Wohlfühlen ist aber etwas anderes und irgendwie döse ich ein. Videos

Die 1000-Pfund-Sache

Plötzlich werde ich von Christian geweckt mit der Aussage: „Da gibt’s Probleme mit Deiner Kreditkarte – Du sollst zu Eddy kommen„. Das kann ich jetzt eigentlich gar nicht gebrauchen, aber irgendwas muss ich wohl jetzt machen. Wir schulden Eddy noch 1000 Pfund, die er für das Herausfahren mit uns noch bekommt und erwartet hatte, dass wir ihm das als Bargeld zu Beginn unserer Fahrt übergeben sollten. Eddy meint dann bei meiner Ankunft, dass er mit seiner Bank telefoniert hat und diese ihm gesagt hat, dass ich wohl meine Kreditkarte dafür freigeben muss. Er weist auf die Sperr-Notruf-Nr., die ich seiner Ansicht nach anrufen soll und das bewerkstelligen soll. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass da irgendwas zu machen ist, versuche es aber trotzdem.
Nach Wahl der Nr. meldet sich eine automatische Stimme und fordert mich auf, die Bankleitzahl meines Kontos über die Tastatur einzugeben. Nachdem ich das gemacht habe, wiederholt die Stimme diese Nummer und bei richtiger Wiederholung soll ich die „1“ drücken. Nachdem ich das getan habe, geht das selbe wieder los – Bankleitzahl eingeben – 1 drücken und wieder und wieder. Ich beende das Telefonat und versuch es noch einmal – Ergebnis wie vorher beschrieben. Naja, inzwischen sagt mir Bruno, dass er alleine etwa 600 bis 700 Pfund in unserer Unterkunft hätte, ich weiß, dass ich auch etwa 150 Pfund dort habe und mit meiner EC-Karte würde ich wohl den Rest wohl auch noch am Automaten bekommen. Ich gehe zu Eddy und schlage ihm vor, dass wir nach Rückkehr nach Dover das Geld holen könnten. Für seine Sicherheit bleiben 2 oder 3 Personen bei ihm und auch die Kreditkarte, mein Personalausweis und Christians Post-Card, die er Eddy auch schon angeboten hatte. Eddy erklärt sich damit einverstanden, so dass das Thema jetzt hoffentlich der Vergangenheit angehört. Um es vorwegzunehmen: Nach Rückkehr in Dover fuhr ich mit Bruno zu unserer Unterkunft. Bruno hatte bereits 800 Pfund, ich selber 160 Pfund und ich lieh dann kurzfristig noch die fehlenden 40 Pfund bei Babysitterin Steffi (hab ich noch gar nicht erwähnt, dass Oskar Höhne mit seinen 2 ½ Jahren mit dabei war und natürlich während unseres Kanalschwimmens betreut werden musste, was Steffi, die beste Freundin von Anke, bestens machte), um dann die 1.000 Pfund Eddy zu bringen. Dort angekommen fehlten dann plötzlich doch noch 90 Pfund (verzählt, verloren, was auch immer), so dass ich noch mal weg fahren musste und am Geldautomaten Geld zog.
Nun passte es, wir (Christian und Karl waren quasi als Pfand bei Eddy geblieben) verabschiedeten uns von Eddy und seiner Crew, die einen „great job“ gemacht haben.

Allgemeines Befinden an Deck

Zu meinem eigenen Befinden habe ich ja schon was geschrieben – im übrigen hatte mich die Sache mit den 1000 Pfund wohl so sehr abgelenkt, dass es mir wieder wesentlich besser ging. Im Vorhinein haben wir ausgiebig darüber diskutiert, was alles so passieren kann. Seekrankheit und die Berührung mit Feuerquallen waren offensichtlich die großen Unbekannten bzw. Gefahren. Anke kam mal aus der Toilette und sagte mir, dass sie das erste Mal gespuckt hat. Später hörte ich dann, dass sie das halbe Deck „verunreinigt“ hatte, man das aber schon sauber gemacht hat. Jetzt steht Bruno an Deck und ist gleich dran, zum 2. Mal ins Wasser zu gehen. Da kommt der Observer und sagt „Wechsel in 5 Minuten“. Bruno geht zur Reeling und spuckt 2 oder 3 Mal in die Nordsee.
Klasse Gefühl, wenn man so was miterlebt – ging aber gut. Christian berichtet, dass er wohl Berührung mit einer Qualle hatte, die ist an seinem Kopf gewesen und gleitete dann an seinem Arm herunter, war aber wohl keine Feuerqualle, weil es nicht gebrannt hat.

Die ersten positiven Signale

Bei meiner zweiten Runde war das Wasser vom Gefühl her ähnlich warm (ist natürlich immer noch kalt) wie beim ersten Mal. Nachdem ich wieder an Deck bin, habe ich keine Sekunde Zähneklappern und fühle mich auch so eigentlich ganz ok. Auch den anderen geht es wohl offensichtlich besser. Irgendwann kommt Christian unter Deck, wo ich mich vornehmlich aufhalte, weil ich mir am Sonntag schon fast einen Sonnenbrand im Gesicht zugezogen hatte und nun Angst habe, wenn die Sonne, die inzwischen ganz schön auf uns runterbrennt, mir den letzten Hauch zum Sonnenbrand zufügt, das wohl beim nächsten Schwimmen im Salzwasser ganz schön brennen würde.
Er sagt: Karl ist gerade aus dem Wasser gekommen, er hat gar nicht gefroren – das Wasser ist wohl wärmer geworden und außerdem wären es nur noch 7 Kilometer bis zur französischen Küste.

Optik und Wirklichkeit

Eigentlich konnte man die gesamte Zeit beide Küstenlinien sehen. Am Anfang sah Frankreich natürlich weit weg aus und Dover war noch so groß, als ob man dort gerade losgefahren bzw. geschwommen ist. Zur ungefähren Orientierung schaute man sich jeweils beide Küsten an und schätzte dann ab, ob man wenigstens die Hälfte geschafft hat. Nach der Aussage von Christian, dass wir nur noch 7 km vor uns hätten, ging die Rechnerei in meinem Kopf los. Bruno hatte sein Schwimmen gerade angefangen. Bei ihm hatten wir immer etwa 2,5 km gerechnet, die er in einer Stunde schaffen würde und bei Christian, der danach dran ist, hatten wir immer etwa 4,5 km gerechnet. Macht zusammen 7 km. Würde ich überhaupt noch dran kommen und hätte dann die Ehre die französische Küste berühren zu dürfen? Karl fragte mich dann auch: „Kommst Du überhaupt noch dran ?“. Scherzhaft sagte ich: „Ich schwimme dann so langsam, dass Anke auch noch dran kommt“. Inzwischen war Christian im Wasser und meine Abschätzung war, dass aufgrund der Optik Christian in der letzten Viertelstunde, die er noch zu schwimmen hatte, das wohl nicht bis zur Küste schafft. Wohlgemerkt: Wenn Christian das geschafft hätte, wären lediglich 12 Stunden seit unserem Start vergange. Dann durfte/musste ich zum dritten Mal ins Wasser und kurz vorher kommt Eddy und ruft mir zu: „Schwimm um Dein Leben – gib alles“. Das auf Deutsch und ich habe zumindest vorher nicht mitbekommen, dass er überhaupt mal was zu einem Schwimmer gesagt hat, wenn er ins Wasser ging. Ich habe das darauf bezogen, dass er mich anfeuern will, weil es jetzt eigentlich nur noch um die Zeit geht und ich war mir absolut sicher, in ein paar Minuten die französische Küste zu berühren.

Das dicke Ende kommt noch

Ich schwamm also los und meine Chlorbrille ist beschlagen. War mir beim 2. Schwimmen auch passiert – nach etwa einer Viertelstunde war das weg, aber das riesige Beibott neben mir sah ich natürlich trotzdem noch gut.
Somit habe ich überhaupt nur schemenhaft den Leuchtturm sehen können, aber trotzdem bekam ich mit, dass ich diesem überhaupt nicht näher kam und sogar ein wenig zur Seite abdriftete. Nun kapierte ich, dass hier die Gegenströmung ist, die schon viele Schwimmer zum Scheitern verurteilt hat, weil sie hier kurz vor dem Ziel nicht mehr die Kraft hatten, gegen die Strömung anzukämpfen.
Ich versuchte jetzt, ein wenig schneller zu schwimmen, aber das ist sicher nicht meine Stärke. Irgendwann sehe ich, dass Anke ins Wasser springt und mich ablöst. Ich hatte also eine Stunde gebraucht, um gegen die Strömung anzukämpfen.

Anke macht den Sack zu

Nachdem ich an Deck bin, sagt man mir, dass ich ja gegen die Strömung schwimmen musste und das Christian wohl auch schon musste. Ich weiß natürlich nicht, wie lange Christian und ich gegen die Strömung geschwommen sind, aber es könnte ungeheuer wichtig gewesen sein, dass unser schnellster Schwimmer gerade da geschwommen ist, wo es galt, die Strömung durchzuschwimmen. Das werden wir wohl erst dann nachvollziehen können, wenn wir unser Protokoll bekommen haben, das den genauen Fahrtverlauf unseres Beiboots und somit unseres Schwimmens wiedergibt. Anke wurde nun von dem Beiboot unseres Beiboots begleitet, weil die Anastasia hier nicht mehr weiterfahren konnte. Wir hatten vorher gesagt, dass der Schlussschwimmer wenigstens einen Stein vom Ufer mitbringen soll. Anke erreichte nach 14 Minuten und damit in der Gesamtzeit von 13 Stunden und 14 Minuten, das steinige Ufer und wurde dann von dem kleinen Beiboot zur Anastasia zurückgebracht. Den Stein hatte sie nicht mitgebracht, weil es dort nur Hinkelsteine gab.

Mein persönlicher Aufwand

Ich habe natürlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit versucht, das Kaltwassertraining zu absolvieren. Ist schon komisch, wenn man bei Temperaturen ins Wasser geht, wo sonst kein anderer reingeht oder höchstens mit Neoprenanzug. Anfang Juni ist es mir passiert, dass ich noch bei recht niedriger Temperatur durch den Wolfsee schwamm, als ich einen Hubschrauber hörte. Naja, dachte ich, der startet oder landet jetzt beim Unfallkrankenhaus, das ja gleich nebenan ist und wo ein Rettungshubschrauber stationiert ist. Als ich dann aber am Ufer ein Fahrzeug mit Blaulicht sah und der Hubschrauber irgendwie immer weiter in der Luft blieb, bekam ich die Befürchtung, dass da doch hoffentlich kein Passant Hilfe gerufen hat, weil da ja einer (nämlich ich) im Wasser gesichtet wurde und vielleicht Hilfe braucht. Bin dann schnell zum „Bikinibeach“ zurückgeschwommen und das Areal verlassen. Oder ein anderes Mal: Von meinem Sportverein bieten wir ab Anfang Juni Offenwasserschwimmen an. Die Teilnehmer stehen also am „Bikinibeach“, alle im Neoprenanzug, nur ich in Badehose.
Irgendeiner testet die Temperatur des Sees mit dem Zeh an und meint, dass das Wasser ja recht frisch ist.
In dem Moment lasse ich mich gerade ins Wasser fallen und Petra meint, dass das Wasser nicht kalt sein könnte, weil ich ja schon drin wäre. Ich habe den Winter über konsequent unser Montagsschwimmtraining im Hallenbad durchgezogen, also etwas mehr als eine Stunde geschwommen. Seit Ende Mai habe ich dann das Freiwassertraining aufgenommen und meist so zweimal in der Woche etwa eine Stunde geschwommen.
Außerdem nahm ich an 3 Langstreckenschwimmen mit Distanzen zwischen 2.250 und 4.000 Meter teil, außerdem schwamm ich bei 2 Triathlons ohne Neoprenanzug. Ich denke, dass fast jeder „etwas überdurchschnittliche Triathlet“ oder Schwimmer in einem Schwimmverein mehr Trainingsumfang hat. Mein Training war eben etwas anders und fast zu 100 % auf Kaltwasser abgestellt. Da aber ab Ende Juni die Temperaturen in allen Seen, Kanälen und Flüssen in unserer Umgebung auf „Badewassertemperaturen“ stiegen, hatte ich Bedenken, dass ich bis zu unserem Kanalschwimmen die Gewöhnung ans kalte Wasser verlieren würde.
Neben der eigenen Fitness kümmerte ich mich organisatorisch um das gesamte Unternehmen „Kanalschwimmen“ und musste wie die anderen Mitschwimmer einen finanziellen Anteil von ca. 1.000 € tragen. Darin enthalten waren die Mietung des Beiboots und der Besatzung, die Meldegebühren an die Kanalvereinigung, die vor allem die Bezahlung des Observers bedeuteten, die Mitgliedsgebühren bei der Kanalvereinigung für eine vorgeschriebene 2-Jahres-Mitgliedschaft, die Bezahlung unserer Unterkunft in Dover, die Spritkosten für das Auto und die Fährkosten. Nebenbei fallen einfach noch so Kleinigkeiten an, die ich in diesem Betrag noch nicht eingerechnet habe wie z.B. die Gebühr für das ärztliche Attest, Fahrtkosten zu Veranstaltungen, die ich als Training fürs Kanalschwimmen ansah oder die beiden Treffen in Clausthal-Zellerfeld im Harz, um die anderen Mitschwimmer kennenzulernen bzw. Absprachen zu treffen.

Tradition im White Horse

Es ist Tradition, dass sich erfolgreiche Channelswimmer im White Horse auf der Wand oder an der Decke verewigen. (Im übrigen: Dieses Haus ist als Restaurant nicht zu empfehlen. Ich habe meinen Essenswunsch dreimal ändern müssen, weil sie das von mir ausgewählte Gericht nicht mehr hatten und wir „ewig“ auf das Essen warten mussten).

Schlusssatz

Ich habe das Glück gehabt, Leute kennengelernt zu haben, die es mir ermöglicht haben, dass ich mir meinen Traum erfüllen konnte. Das Ziel hat uns fast 2 Jahre zusammengeschweißt, jeder ist wohl in gewisser Weise über sich hinausgewachsen. Es war erstaunlich, dass trotz der doch großen Entfernung wir uns bei der ein oder anderen Veranstaltung trafen, auch wenn es selten in Vollbesetzung war. Dank E-Mails wurden fast alle Dinge abgesprochen und wenn eine Entscheidung getroffen wurde, haben sich auch die, die anderer Meinung waren, der Entscheidung voll untergeordnet. All das ist nicht selbstverständlich, so dass ich es missen möchte, wenn unser Kontakt jetzt abbrechen würde. Es sind aber bereits erste Pläne geschmiedet worden, was man auch zukünftig gemeinsam machen kann (Manhattan Island Marathon Swim über 28,5 Meilen als Staffel?) – ich werde meinen Teil auf jeden Fall dazu beitragen. Obwohl wir keinerlei Erfahrung mit dem Kanalschwimmen hatten, haben wir, glaube ich, nur kleine Fehler gemacht. Vielleicht haben wir bei der ein oder anderen Sache einfach nur Glück gehabt, aber wer fragt da später noch danach. Beim Recherchieren war ich jetzt erstaunt, dass es zwar 19 erfolgreiche deutsche Soloschwimmer gibt, aber außer uns nur eine Staffel. Das war 1993 die Staffel des TV Lemgo, die 17 Stunden und 2 Minuten benötigt haben. Karl hat ja schon angekündigt, was zum Kanalschwimmen auf seiner Seite www.schwimmkalender.de zu setzen. Vielleicht pushen wir das Kanalschwimmen damit in Deutschland.

Harald Weyh Duisburg 07/2010

 

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 Staffel-Kanal-Schwimmen 2017 abgebrochen (Wellengang & Seekrankheit)

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Ärmelkanalschwimmen 2007 von Margit Bohnhoff

KarteAm 27. Juli 2007 bin ich nach England aufgebrochen. Gleich am Samstag bin ich zum Training der Kanalschwimmer gegangen. Diese treffen sich von April bis Oktober jedes Wochenende zum gemeinsamen Training. Ich musste drei Stunden im Hafenbecken von Dover bei einer Wassertemperatur von knapp 17 Grad schwimmen. Es war kein leichtes Training, da von der einen Seite durch die Fähren Wellen und Wasserbewegung eingespült wurden und auch Strömung durch die Tide im Hafenbecken vorherrschte.
Die folgende Woche habe ich genutzt um Kontakte zu anderen Kanalschwimmern zu knüpfen und bin mit ihnen jeden Tag zwei Stunden im Hafenbecken geschwommen.

Frank reiste am darauf folgenden Samstag an. Das beruhigte mich etwas. Montag begann meine Tide (06.-12.August 2007). Andy, Stefan und Sabine sind bis Mittwoch angereist. Das reichte aus, da ich auf meinem Boot den vierten Startplatz hatte. D.h. dass ich bei gutem Wetter am Donnerstag geschwommen wäre, da nur vier Boote für jede Startmöglichkeit zur Verfügung stehen.
Am Montag konnte kein Soloschwimmer/in und Staffel wegen schlechtem Wetter an den Start gehen. Ich wurde unruhig, da sich alles nach hinten verschob. Dienstag kamen dann endlich die ersten Erfolgsmeldungen. Zwei Einzelschwimmer und zwei Staffel haben Frankreich erreicht.
Dienstagabend habe ich mit dem Kapitän gesprochen. Dieser teilte mir mit, dass zwei Schwimmer abgesagt haben und wir am Mittwoch schwimmen könnten. In mir ging alles drunter und drüber. Das Equipment musste noch einmal überprüft werden. Mist! Sabine war noch nicht da. Wir waren alle völlig unruhig und nervös, liefen wie die aufgescheuchten Hühner koordinationslos umher.
Das Telefon klingelte. Der Kapitän - Wetterumschwung! Das Schwimmen wurde abgesagt. Von Erleichterung konnte nicht die Rede sein. Nur konnten wir jetzt auch Sabine fest mit einplanen.
Gleiches spielte sich am Mittwochabend ab. Nur hat der Kapitän das Schwimmen nicht noch einmal abgesagt. Frank schaute noch mal nach der Wetterlage, Wellen und Wassertemperatur. Eines stand fest, es wird nicht leicht, da die durchschnittliche Wellenhöhe mit 1,50 m angegeben war. Auf die Wassertemperatur von 17 Grad war ich vorbereitet.
Die Nacht war für mich grausam. Ich habe nur von Wellen geträumt und bin immer wieder aufgewacht. Endlich war es 4 Uhr und Zeit zum Aufstehen.
Um 7 Uhr war Treffpunkt am Hafen. Das Boot kam erst um 7:45 Uhr. Dann musste alles schnell gehen, da die Tide um 7:49 kippte (es war Hochwasser). Start war von Shakespeare Beach. Dort angekommen musste alles superschnell gehen. Noch alles eincremen in verschiedenen Schichten aus Hirschtalk gegen die Scheuerstellen, Sonnencreme und Kälteschutzfett. Um 8:30 Uhr bin ich gestartet.
Noch im Schutz von Dover waren die Wellen noch gut schwimmbar, bevor es raus auf den Kanal ging. Ich konnte mich gut an die Wassertemperatur und mein Begleitboot gewöhnen.
Die Verpflegung funktionierte gut. Nur hatte ich manchmal etwas Schwierigkeiten den Verpflegungskorb zu erreichen.
Nach ca. 2,5 Stunden hatte ich die erste Hauptfahrrinne erreicht. Vier davon (zwei in jede Richtung) waren insgesamt von mir zu durchschwimmen.
Es ist unvorstellbar, welche Dimensionen die Containerschiffe hatten und welche Wellenhöhe diese produzierten. Vom Begleitboot aus wurden diese Schiffe beobachtet und kamen mir somit nicht in die Quere.
Der Wind wurde stärker (ca. Windstärke 4). Dadurch wurden auch die Wellen größer. Einzelne Wellen stiegen so gar bis auf 2m an! Entweder habe ich im Wellental gelegen und auf einen Wasserberg vor mir gehabt oder ich lag auf der Welle und habe in das Tal geschaut. Egal, beides ließ in mir Unbehagen aufkommen.
Der erste Supportschwimmer, Andy durfte nach der dritten Stunde, für eine Stunde zur mentalen Unterstützung zu mir ins Wasser. Das Gefühl nicht allein zu sein war sehr angenehm und motivierte mich. Das zweite mal durfte ein Supportschwimmer, ebenfalls Andy, nach der sechsten Stunde zu mir ins Wasser. Stefan ist wegen Seekrankheit ganz ausgefallen. Hat aber überlebt!
Langsam haben die Schultern angefangen zu schmerzen. Erst konnte ich diese mit Schmerztabletten in den Griff bekommen. Später, nach der zehnten Stunde musste ich mit den Schmerzen schwimmen und hätte mit jedem Armzug schreien können.
Feuerquallen habe ich nur eine getroffen. Nennenswerten Dreck gab es nicht. Das Schwimmen mit Seegras zwischen den Händen fühlte sich an wie ein Tanz mit einem Tannenbaum im Wasser.
Vom Boot wurde mir die Schlagfrequenz, Fähren, Boote und Seegras angezeigt. Auch, welcher Schwimmer zu mir ins Wasser gekommen ist und wie lange er noch bei mir bleiben konnte. Wichtig war auch, das Anzeigen welche Verpflegung als Nächstes gereicht wurde.
Frankreich war schon ziemlich zeitig zu sehen. Nur kam es nicht näher.
Nach der neunten Stunde kam Sabine für eine Stunde ins Wasser. Auch sie hat sich meinem Tempo sehr gut angepasst und ich habe es genossen mit ihr zu schwimmen. Frankreich war nach 11 h schon so nach!
Erst jetzt fing ich an zu frieren. Der Magen hat das Essen nicht mehr an den Körper weitergegeben. Das hatte zur Folge, dass ich nur noch mit Fettverbrennung geschwommen bin.
Ungefähr zwanzig Minuten vor Frankreich hat mir Pierre die erste Zeitangabe gemacht, da ich weder Zeit noch Kilometerangaben angezeigt bekommen wollte, um nicht unruhig zu werden.
Der Blickkontakt zu Pierre während der ganzen Zeit war eine große Unterstützung für mich.
Vor mir lagen die Klippen von Frankreich mit einem feinen Steinstrand. Dieser wurde von der untergehenden Sonne rot angestrahlt. Meine größten Bedenken lagen darin, dass ich in die Dunkelheit komme. Noch wenige Meter. Andy kam noch mal für die letzten 50 Meter ins Wasser. Er teilte mir mit, dass ich drei Schritte an Land gehen und unbedingt einen Stein, zur Erinnerung, mit zum Boot bringen musste. Ich konnte stehen! Nur schmissen mich die Wellen wieder um. Ich konnte mich an großen Steinen festhalten. Die nächste Welle hat mich an den Strand gespült. Das Aufstehen fiel mir schwer. Drei Schritte und der Stein ging mir nun durch den Kopf. Die Arme hoch - Die Zeit war gestoppt.
Zurück zum Boot. Nun konnte mir Andy helfen was auch notwendig war. Ich bin nur so geschwankt. Das Boot erreicht, sollte ich an einer Leiter hochklettern. Da ich mich nicht festhalten konnte, schob von unten Andy und von oben wurde ich an den Armen gepackt. Meine erste Frage war nach der Zeit.

Ich bin 11 Stunden und 40 Minuten durch den Ärmelkanal geschwommen!
Erst gestern hat Frank alle deutschen Schwimmerinnen seit 1926 (Gertrude Ederle (USA) ist in diesem Jahr als erste Frau überhaupt den Ärmelkanal durchschwommen) aus dem Internet gesucht. Es sind 6 deutsche Frauen und 9 Männer die bis heute den Ärmelkanal geschwommen sind. Für mich bedeutet das, dass ich mit meiner Zeit die schnellste deutsche Frau aller Zeiten bin!
Auch wenn mich viele als "Bauchwäscher" sehen ist das eine Leistung mit der FRAU sich sehen lassen kann.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Helfern und Helferinnen bedanken. Dass IHR an mich geglaubt habt und mich mit EURER Zeit und Mitteln unterstützt habt. Dazu gehören unter Anderen: Olli Kusch, Jörg Engel, Adam Bau aus Wustermark, ZAS-Event aus Wustermark, tsb-shop,

Ein besonderer Dank gilt dem TSV Trittau. Ich bin noch nicht einmal Mitglied in diesem Verein und konnte immer die Vereinszeiten mitnutzen. Mir wurde ein Schieds- und Kampfrichter kostenlos zur Verfügung gestellt um meine Qualifikation für den Ärmelkanal zu schwimmen. Danke auch für die vielen anderen Kleinigkeiten.

Danke auch dem besten, meinem Team. Mein Team bestand aus Frank, Andy und Stefan von TSV Trittau, Sabine und Pierre von den Wasserfreunden. Ihr habt mich super unterstützt und das auf eigene Kosten! Ohne Euch hätte ich kaum eine Chance gehabt in Frankreich anzukommen. Jeder von Euch hat sein Bestes gegeben und seine Sache toll gemacht.

Während des Schwimmens und auch am Freitag habe ich gesagt, dass ich den Kanal nie mehr schwimmen werde. Schon am Wochenende konnte ich mir wieder vorstellen meinen Kanal nun doch noch einmal zu schwimmen. Mit den Erfahrungen aus diesem Jahr ist sicher noch eine Steigerung möglich. Nur kann ich es nicht erneut komplett aus eigenen Mitteln finanzieren.

Erst bei der Heimreise auf der Fähre in Richtung Frankreich wurde mir richtig bewusst, wie weit Dover und Calais auseinander liegen. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass ich diese Strecke geschwommen bin. Noch ist es nicht richtig bei mir angekommen, was ich da geleistet habe. Ich werde wohl noch etwas Zeit brauchen....

Margit Bohnhoff

 

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